Daten zum Objekt
Standort
Hittisau/AT Google Maps
Bauherr:in
Georg Bechter Architektur und Design, Langenegg/AT, www.bechter.eu
Architektur
Georg Bechter Architektur und Design, Langenegg/AT, www.bechter.eu
Statik
zte Leitner ZT GmbH, Schröcken/AT, www.zte.at
Holzbau
dr’ Holzbauer Dietmar Berchtold GmbH, Andelsbuch/AT, www.derholzbauer.com
Fertigstellung
2020
Typologie
Denkwerkstatt aus Holz, Stroh und Lehm
Dort, wo bis vor ein paar Jahren noch Schweine und Kühe eingestellt waren bzw. Heu und Stroh gelagert wurden, arbeiten heute auf 850 m2 die Mitarbeiter:innen des Architekturbüros sowie der Leuchtenmanufaktur von Georg Bechter.
Der 28 mal 17 Meter große und 12 Meter hohe ehemalige Stadel befindet sich in Familienbesitz und wurde seit den 1980er Jahren als Wirtschaftsgebäude genutzt. Nach Auflösung des landwirtschaftlichen Betriebs entschied sich Bechter gegen einen Abriss und für eine Um- und Weiternutzung als „Denkwerkstätte“, bestehend aus Gipsmanufaktur, Schauraum und Büros. Dafür wurde das Gebäude sorgsam bis auf die tragende Holzstruktur demontiert. Die bestehende Holzfassade wurde ebenfalls in der Konstruktion belassen. Die Produktionsstätte befindet sich heute im ehemaligen Stall im Erdgeschoss, während die Büros im Bereich des Heu- und Strohlagers angesiedelt sind – ergänzt um eine Galerie, die weitere Arbeitsräume bietet.
Jenem Material, das vor dem Umbau lediglich dort gelagert wurde, kommt heute eine neue Funktion als Dämmmaterial zu. Tier und Mensch haben ganz andere Wärmebedürfnisse: Das bestehende Riegelwerk wie auch die Decke des Obergeschosses wurden mit etwa 650 Strohballen ausgefacht, die Innenwände mit Lehmputz aus der eigenen Baugrube verputzt. Nicht nur bei der Wahl des Dämmmaterials verschrieb sich Bechter der Nutzung regionaler und kreislauffähiger Naturmaterialien. Während die Decken der Büroräume mit sichtbar belassenem Schafwollfilz ausgeführt sind, um die Akustik zu verbessern, findet sich unter den Füßen ein Boden aus gestampfter Erde, die geschliffen und zu einer Art „Naturterrazzo“ veredelt wurde. Ein liebevolles Detail im Bereich des Empfangs im ersten Obergeschoss verweist auf die Natürlichkeit des Materials: Hier wächst eine Pflanze aus dem Boden, deren Wurzelwerk mittels einer im Aufbau integrierten Pflanzkiste gezähmt wird. Im Erdgeschoss, im Bereich der Gipsmanufaktur, ist jedoch Holz das dominierende Material – Wände, Decken und Fußböden aus heimischer Fichte dienen hier als neutraler Hintergrund für die Gipserzeugnisse.
Auch bei der neuen Fassade setzte Georg Bechter auf natürliche Materialien und entschied sich für eine diagonal gekreuzte, wellenartig geschwungene Holzlattung aus heimischer Bergfichte, die bei richtigem Lichteinfall eine optische Täuschung hinsichtlich ihrer Tiefe erweckt.
Durchbrochen wird diese Südfassade durch einen vorgesetzten Wintergarten (vormals wurden hier unter einem Vordach Maschinen gelagert), der einerseits als Erschließungs- und Kommunikationsfläche dient, andererseits als thermische Pufferzone ganzjährig die Innentemperatur reguliert. Nachhaltigkeit und Weiternutzung sind hier nicht nur auf die Errichtung und die dabei verwendeten Materialen beschränkt, sondern setzen sich auch im Betrieb des Gebäudes fort. So wurde die ehemalige Jauchegrube zu einem Eisspeicher umfunktioniert, der in Verbindung mit einer Wärmepumpe und einer Solarthermieanlage an der Südfassade das Gebäude heizt und kühlt. Zusätzliche Energie wird mittels Photovoltaikmodulen auf dem Dach produziert, wodurch die Stromproduktion aus eigener Kraft den ganzjährigen Bedarf sogar übersteigt.
Um das mit 17 Metern sehr tiefe Bestandsgebäude optimal belichten zu können, entschied sich der Bauherr für den Einbau eines vertikalen „Lichttrichters“, der das Dach durchbricht und natürliches Licht ins Innere des Gebäudes leitet. Einen weiteren Einschnitt in die Fassade bildet der westseitige „Lufttrichter“, ein eingestülpter Freiluftraum. Allseitig mit schwarz lasierten Dreischichtplatten aus Fichtenholz verkleidet, steht er im starken Kontrast zur hellen Außenhaut. Der Raum lädt zum informellen Austausch abseits der Büroräumlichkeiten ein – eine weitere Form von sozialer Nachhaltigkeit.