Die Weiterverwendung von Baustoffen, -materialien und Bauteilen hat eine ebenso lange Tradition wie die Baukultur der zivilen Gesellschaften an sich. War früher die Rohstoffgewinnung eine aufwendige Angelegenheit, so stehen in der globalisierten Welt die Produktionsorte weltweit in Konkurrenz – wenn auch mit unterschiedlichsten Rahmenbedingungen.
Von diesen und anderen komplexen Zusammenhängen hängt ein Gelingen der Wieder- und Weiterverwendung von Ressourcen aus urbanen Quellen ab – im Speziellen mit Fokus auf den Werkstoff Holz. Durch die fortschreitende Digitalisierung, auch im Bauwesen, wird sich der Markt in Zukunft besser etablieren können. Noch aber ist der Druck auf den Rohstoffmarkt zu gering.
Besonders in der Baubranche sind große Massen und Mengen an Ressourcen nötig – daher ist der Handel mit Sekundärressourcen derzeit nicht marktwirtschaftlich konkurrenzfähig. Als Forschungs- und Innovationsthema ist er aber auf der Agenda von Fördereinrichtungen der öffentlichen Hand oder privaten Unternehmen.
Bauteilbörsen analog und digital
Pionierhafte Initiativen wurden und werden oft in Zusammenarbeit mit sozialökonomisch geförderten Betrieben aufgebaut. Ein Beispiel für einen seit über 25 Jahren bestehenden Secondhand-Baumarkt ist die Bauteilbörse Basel. 1995 als Verein von der Architektin Barbara Buser u. a. gegründet, ist sie eines von mehreren Geschäftsmodellen für die Kreislaufwirtschaft. Weitere lebendige Beispiele finden sich mit Genbyg in Dänemark oder der 2012 ins Leben gerufenen Plattform Opalis, einem traditionellen Reseller mit Wirkungsgebiet vor allem in den Benelux-Staaten und England.
Viele aktuell gegründete Plattformen fokussieren bereits stärker auf Unternehmen im Bauwesen statt auf Einzelabnehmer:innen, wachsen zusammen und funktionieren digital, so auch die 2021 gegründete Online-Plattform sumami. Sie baut u. a. auf die Arbeit des Berner Architekten Daniel Glauser auf, der seit mehr als zwanzig Jahren im Bereich Wiederverwendung und Bauteilbörsen tätig ist, und fasst die Dienstleistungen der Plattformen bauteilclick und useagain unter einem Dach zusammen. Neben den Bauteilen selbst werden hier auch die Analyse und Aufnahme von Bestandsgebäuden oder eine strategische Beratung angeboten.
Unabhängig ob analog oder digital, die Präsentation der verfügbaren und bereits geernteten Waren, meist auf großen Innen- und Außenflächen an den Stadträndern, verlangt immer eine arbeitsintensive Aufbereitung. Neben der Vermittlung selbst und der Bereitstellung von Informationen zu den angebotenen Objekten müssen ebendiese vorab eingeholt werden. Unabdingbar sind dafür ein exemplarischer Rückbau, um die Eignung festzustellen, eine zerstörungsfreie Demontage, der Transport und eine entsprechende Aufbereitung wie Reinigung oder gegebenenfalls auch Reparatur. Gemeinhin werden Lagerung, Sortierung, Bearbeitung und Vertrieb – also Dienstleistungen und Aufwendungen, die mit der Vermittlung einhergehen – etwas einfacher, wenn sich das Angebot auf eine bestimmte Art Bauteile beschränkt.
Dass hinter den Initiativen bzw. Betreiber:innen von Plattformen oftmals Kreativschaffende stehen, lässt auf das hohe gestalterische Potenzial von wiederverwendbaren Bauteilen schließen. Ein Wachsen des Wirkkreises über eine einschlägige Community oder die unmittelbare Region hinaus gelingt meist erst nach langer Laufzeit oder durch den Zusammenschluss mit anderen Beteiligten des Bausektors. Ein Beispiel dafür ist die Plattform HarvestMAP. Gegründet wurde sie 2012 unter dem Namen Oogstkaart, zu Deutsch Erntekarte oder eben Englisch Harvestmap, als Open-Source-Anwendung vom niederländischen Architekturkollektiv Superuse Studio, das damit vor allem eigene Projekte zirkulären und nachhaltigen Designs umsetzte. Um das Angebot zu professionalisieren und effizienter gestalten zu können, gingen die Gründer:innen auf die Suche nach Kooperationspartnerschaften in der Bauindustrie. Schließlich wurde der Service 2020 ausgegliedert und ist seither als Teil des Angebots von New Horizon, einem Urban-Mining-Unternehmen mit breitem Beratungs- und Beschaffungsangebot, verfügbar. Die internationalen Aktivitäten von HarvestMAP werden weiterhin von Superuse Studio betrieben und stehen als freie Software zur Verfügung.
Davon ausgehend betreiben die Wiener Genossenschaft HarvestMAP eGen und die materialnomaden GmbH die Initiative re:store für den Aufbau eines derartigen Angebots in Österreich. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem B2B-Bereich (Business-to-Business) bzw. der direkten Produktentwicklung von „re:products“, der Inwertsetzung bestehender und durch Demontage verfügbarer Produkte in Kooperation mit produzierenden Betrieben.
Von Business-to-Consumer zu Business-to-Business
Der Erfolg von re:store bzw. des B2B-Ansatzes lässt sich anhand des re:products „ReParkett“ anschaulich darstellen. Die „Ernte“ von 3.000 m3 traditionellem Stabparkett im Rahmen eines Teilrückbaus war die Initialzündung, aus einem der ersten industriell in Wien in großem Umfang hergestellten Bauprodukte zur Jahrhundertwende ein re:product zu entwickeln. Stabparkett findet sich auch heute noch im Angebot vieler Betriebe – die Suche nach Kooperationspartnern begann. Mit Weitzer kam schließlich ein alteingesessener Hersteller an Bord. In enger Zusammenarbeit mit dessen Vertriebspartnern werden Parkette aus Abbruchhäusern oder renovierungsbedürftigen Wohnungen abgeholt, aufbereitet und im regulären Sortiment als ReParkett angeboten. Re:store koordiniert das Netzwerk und garantiert, dass es sich um ein Kreislaufprodukt handelt.
Ein weiteres Modell, um vorhandene Materialien im Kreislauf zu halten, zeigt Cyrkl mit Hauptsitz in Prag. Die Plattform für gewerbliche Abfälle verschrieb sich der nachhaltigen Rohstoffbeschaffung und etablierte sich als größter Anbieter dieser Art in Europa. Der Fokus liegt hier nicht auf Produkt- oder Bauteilebene, sondern auf dem Vertrieb von Abfall- und Reststoffen aus der industriellen Produktion. Hier werden große Mengen und Materialstoffströme verwaltet und vermittelt, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Rezyklieren der Masse liegt.
Rohstofflager von morgen – Neubau und Bestand
Da auch Gebäude, die erst gebaut werden, bewertet werden müssen, gibt es mittlerweile auch Plattformen, die künftig verbaute Rohstoffe anhand von Materialpässen erfassen. Ein Beispiel dafür ist Madaster, wo ganze Projekte mit allen darin verbauten Materialien und Produkten eingetragen werden. Neben den Baustoffen und Bauteilen selbst finden sich Informationen über Anschlüsse und Verbindungen, sprich die Trennbarkeit der Materialien, oder die Toxizität. Sämtliche Rohstoffanteile werden basierend auf den Plandaten der Gebäude beurteilt, eine CO2-Bilanz wird erstellt. Die verbaute Masse an Ressourcen ist dadurch quantifizierbar.
Eine Hürde, die auch im Neubau und mithilfe modernster Produkt- und Bauteildatenbanken (noch) übersprungen werden muss, ist, dass viele ähnliche, aber doch nicht gleiche Bauteile und Produkte handhabbar gemacht werden müssen. Denn während beispielsweise Autos zur Gänze industriell gefertigt sind und die Fahrzeuge des gleichen Modells aus immer gleichen – und somit austauschbaren – Bauteilen bestehen, sind Gebäude individuell an ihren Standorten errichtete „Gesamtbaukunstwerke“. Ausbauteile wie Türen, Fenster, Sanitär und dergleichen sind zwar in meist standardisierter Form verbaut, der Großteil an Material steckt jedoch in der Tragkonstruktion bzw. in konstruktiven Bauteilen, die oft zwar ähnlich, aber selten ganz gleich sind. Die Forschung ist nun gefragt, mit digitalen Mitteln leicht unterschiedliche Bestandteile, die aber vom Prinzip her ähnlich oder gleich einsetzbar sind, schneller zu identifizieren und zu katalogisieren.
Darüber hinaus müssen auch die bereits verbauten Ressourcen besser erfassbar, beschreibbar und somit effizienter wiedereinsetzbar gemacht werden. Denn ihre Menge ist im Vergleich zu jenen im Neubauvolumen um ein Vielfaches größer. Und obwohl so viel rückgebaut wird wie noch nie, landet nur ein Bruchteil der wiederverwendbaren Bauteile auf den Plattformen. Wo Jahrhundertwendebauten noch hohe Qualitäten aufweisen, erreicht heute der Einsatz von Verbundwerkstoffen seinen Zenit und hinterlässt deutlich rückbauunfreundlichere Bauwerke aus den 1990er und 2000er Jahren. Unabhängig davon gelangen nur 3 bis 5 Prozent wirklich in den Wiedereinsatz.
Es ist daher umso wichtiger, kreislauffähiges Bauen und Planen in den Fokus aller am Entwicklungs-, Planungs- und Bauprozess Beteiligten zu rücken. Denn die urbanen Quellen in Form städtischer Objekte und Gebäude wirken auf unser aller Zusammenleben gleichermaßen und ihre Bereitstellung geschieht im öffentlichen Interesse. Bauen im und mit dem Bestand ist das Ziel. Eigentum von Bestandsgebäuden muss als Rohstoffbesitz begriffen werden und Bauherr:innen sollten bei jedem einzelnen neuen Projekt die Möglichkeit prüfen, die darin eingelagerten Bauteile als Ressource einzubinden.
Bauteilbörsen und Baustoffdatenbanken
Österreich
BauKarussell, Wien
Bauteilkatalog, Anbieter für verwertungsorientierten Rückbau mit besonderem Fokus auf die Wiederverwendung von Bauelementen
www.baukarussell.at
materialnomaden, re:store, Wien
Beratung beim Bau mit gebrauchten Bauteilen, Bauteilkatalog für re:products (re:store)
www.materialnomaden.at
www.restore.or.at
Deutschland
bauteilnetz Deutschland
Bauteilkatalog, bundesweites Kooperationsprojekt, das sich für die Wiederverwendung guter gebrauchter Bauteile einsetzt
www.bauteilnetz.de
Restado, Stuttgart
Europaweiter Marktplatz für zirkuläre Baustoffe
www.restado.de
Concular, Berlin
Digitale Plattform für ressourceneffizientes Bauen. Materialien in Bestandsgebäuden werden mittels Materialpässen digitalisiert und bei einem Rückbau in der Materialdatenbank zur Verfügung gestellt.
www.concular.de
Zündstoffe – Materialvermittlung, Dresden
Gemeinnütziges Projekt zur Ermittlung von Restmaterial
zuendstoffe.materialvermittlung.org
Schweiz
Salza, Zürich
Bauteildatenbank, Beratung, Bauleitung von größeren Rückbauten mit wiederverwendbaren Bauteilen
www.salza.ch
use again/bauteilclick, Biberist
Vermittlungsplattform für Bauteil-Wiederverwendung
www.useagain.ch
Bauteilladen Winterthur
Online-Marktplatz für hochwertige Secondhand-Bauteile
www.bauteilladen.ch
Belgien
RotorDC, Brüssel
Bauteilbörse, Beratung, Genossenschaft, die Baumaterialien demontiert, verarbeitet und verkauft
www.rotordc.com
Opalis, Brüssel
Belgisches Netzwerk mit einem Angebot gebrauchter Bauteile für ganz Europa
www.opalis.eu
Niederlande
Oogstkaart/New Horizon
Bauteilvermittlungsplattform, Urban-Mining-Unternehmen, Beratung und Beschaffung
www.oogstkaart.nl
www.newhorizon.nl
EME – Excess Materials Exchange, Amsterdam
Bauteil-/Abfallvermittlungsplattform, Beratung, Erstellung von „Ressourcen-Pässen“ von Gebäuden
platform.excessmaterialsexchange.com
Großbritannien
Globechain, London
Vermittlungsplattform für die Wiederverwendung von (Bau-)Materialien mit internationalen Mitgliedern
www.globechain.com
Dänemark
Genbyk, Kastrup
Dänemarks größter Webshop für gebrauchte Baumaterialien
www.genbyg.dk
Tschechien
Cyrkl, Prag
Europas größte Plattform für gewerbliche Abfälle und nachhaltige Rohstoffbeschaffung
www.cyrkl.com
Tools
Madaster, Berlin/DE
Internationale Cloud-Plattform, Kataster für Materialien, Erfassung und Dokumentation von Bauteilen und Materialien, BIM Facility, GS1, ZPF
www.madaster.de
BRE Group, SmartSite, Watford/UK
Baumanagement-Software, BIM
www.bregroup.com
www.bresmartsite.com