Das Konzept der Bioökonomie ist keineswegs neu, es besteht schon seit mehreren Jahrzehnten. Angesichts der zunehmend spürbaren Auswirkungen des Klimawandels und hinsichtlich globaler Fragestellungen zu Ressourcenverknappung und -einsatz gilt der dahinterliegende Ansatz auf globaler wie nationaler Ebene als eines der zentralen Elemente, diesen Herausforderungen zu begegnen. Kurz gefasst, geht es um die Abkehr von der Nutzung fossiler Rohstoffe hin zu jener aus nachwachsenden, biobasierten Quellen. Die Forst- und Holzwirtschaft ist dabei eine der tragenden Säulen.
Bereits in den 1970er Jahren wies der rumänische Ökonom und Mathematiker Nicholas Georgescu-Roegen auf die planetaren Grenzen des Wachstums hin. Er entwickelte einen ökonomischen Ansatz, der die Problematik der linearen und wachstumsorientierten Wirtschaftsordnung ohne Rücksicht auf die Endlichkeit der Ressourcen erkannte und stattdessen eine kreislaufbasierte (zirkuläre) ökologische Wirtschaftsweise verfolgte. Der Grundstein für die sogenannte Bioökonomie war gelegt, die mittlerweile betitelte Degrowth-Bewegung findet hier einen ihrer Ursprünge. Jahrzehntelang als Theorie vorhanden, taucht das Prinzip Bioökonomie mit der Jahrtausendwende in der politischen und ökologischen Diskussion wieder auf und manifestiert sich erstmals konkret in internationalen Zielsetzungen und Verpflichtungen wie dem Pariser Klimaabkommen oder der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Auf europäischer Ebene wird 2012 eine erste europäische Bioökonomiestrategie auf den Weg gebracht, 2018 veröffentlicht die EU-Kommission ein aktualisiertes Strategiepapier. Nationale Programme folgen. 2019 wurde die erste österreichische Bioökonomie vorgelegt. Sie soll die Dekarbonisierung des Wirtschaftssystems vorantreiben und stellt einen wesentlichen Eckpfeiler der Klima- und Energiestrategie dar.
Mit der verbreiteten Umsetzung der Theorie in die Praxis verschwimmt die Interpretation des Ansatzes. Während die Bioökonomiedefinition der EU eine Wertschöpfungskette der Bioökonomie zuordnet, sobald deren Ursprung ein biologischer, nachwachsender Rohstoff ist (die Forst- und Holzwirtschaft wäre demnach per se zur Bioökonomie zu zählen), sieht beispielsweise die OECD wirtschaftliche Aktivitäten im Zusammenhang mit der Erfindung, Entwicklung, Herstellung und Nutzung biologischer Produkte und Verfahren an sich als maßgebliche Faktoren. Die österreichische Bioökonomiestrategie definiert den Begriff wie folgt: „Bioökonomie steht für ein Wirtschaftskonzept, das fossile Ressourcen (Rohstoffe und Energieträger) durch nachwachsende Rohstoffe in möglichst allen Bereichen und Anwendungen ersetzen soll. Sie umfasst alle industriellen und wirtschaftlichen Sektoren, die biologische Ressourcen produzieren, ver- und bearbeiten oder nutzen.“
Holz als Eckpfeiler der Bioökonomie
Aufgrund seiner natürlichen Ressourcen und einer Vielzahl an Betrieben, die biobasierte Produkte erzeugen, hat Österreich ein großes Potenzial und gute Entwicklungschancen für die Bioökonomie. Neben der Agrarwirtschaft und der Abfall- und Reststoffverwertung gilt der Sektor Forst und Holz als eines der wesentlichen Standbeine für die Bioökonomie in Österreich, der Rohstoff Holz spielt in der österreichischen Bioökonomie eine zentrale Rolle. Im Holz liegt dabei das höchste Potenzial, denn sowohl die Waldfläche als auch der Holzvorrat nehmen kontinuierlich zu – und der nachwachsende Rohstoff aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern bildet die Grundlage für eine Vielzahl biobasierter Produkte. Im Sinne der Bioökonomie wird dabei nicht nur auf den Rohstoff aus primären Quellen gesetzt, also auf Frischholz aus dem Wald, sondern auch auf die Verwendung von Sägenebenprodukten, Durchforstungs- oder Gebrauchtholz und das Wieder- und Weiterverwenden von Holzerzeugnissen. Beim Holzeinsatz wesentlich ist, dass der gesamte Baum genutzt und die daraus gewonnenen Erzeugnisse möglichst lange und mehrfach stofflich verwertet bzw. verwendet werden, bis am Ende der kaskadischen Nutzung durch die thermische Verwertung der erneuerbaren Reststoffe fossile Energieträger substituiert werden. Als Leitwörter dienen: Ressourceneffizienz, Kaskadennutzung, Kreislaufwirtschaft.
Um das Potenzial des nachwachsenden Rohstoffs Holz auszuschöpfen, gilt es, bereits etablierte Verwendungen wie das Bauen mit Holz und traditionelle Produkte der Möbel- oder Papier- und Verpackungsindustrie zu optimieren und neben diesen klassischen Anwendungsbereichen weitere Einsatzmöglichkeiten zu erschließen. Biotechnologie und biochemische Verfahren spielen hierbei eine wesentliche Rolle, weil Holz sich aufgrund seiner Struktur und seiner chemischen Bestandteile wie Cellulosen, Hemicellulosen und Lignin gut als Basis biobasierter Endprodukte eignet, die wiederum erdölbasierte Produkte ersetzen können. Die Entwicklung von neuen Produkten und innovativen Fertigungstechnologien dafür läuft auf Hochtouren.
Als ein bereits bewährtes Alltagsprodukt sind beispielsweise Kaffeekapseln aus unbehandelten Holzreststoffen (hier ein Verbund aus Naturfasern und verflüssigtem Lignin) zu nennen, sie lösen die werbewirksam etablierten Einweg-Alu-Kapseln sukzessive ab. Ebenfalls bekannte Produkte aus Lignin sind Ethanol oder der Aromastoff Vanillin. Neue Ansätze, an denen im Rahmen von Forschungsprojekten gearbeitet wird, zielen darauf ab, abgespaltenes Lignin derart umzuwandeln, dass es als Elektrolytmaterial für Flüssigbatterien (Redox-Flow-Batterien) eingesetzt werden kann. Weiters ist die Herstellung von Bio-Carbonfasern in Entwicklung oder auch das sogenannte Flüssigholz als eine Form eines ligninbasierten Kunststoffs.
Biobasierte Kunststoffe mit dem Ausgangsstoff Cellulose wiederum werden zu Verpackungsfolien wie Cellophan verarbeitet oder als Celluloseacetat unter anderem zur Herstellung von Brillenfassungen oder auch für Funktionskleidung eingesetzt. Im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie sind Viskose, Modal und Lyocell ein weitverbreitetes Ausgangsmaterial. Es besteht aus Celluosefasern. Ein Vorteil: Beim Waschen wird kein Mikroplastik freigesetzt. Auch in kosmetischen Produkten wird Letzteres bereits durch biogene Rohstoffe ersetzt, so zum Beispiel in Zahncremes oder Peelings. Auch Diesel kann aus Holz erzeugt werden, so in einer finnischen Bioraffinerie, die dazu das als Nebenprodukt aus der Zellstoffproduktion anfallende Tallöl (aus Extraktstoffen und Harzen von Kiefernholz) nutzt.
Rohstoffgrenzen
Die (holzbasierte) Bioökonomie ist eine der Säulen, um dem fortschreitenden Klimawandel, den zunehmenden Umweltbelastungen und der globalen Ressourcenverknappung zu begegnen und die Versorgungs- und Klimaziele der EU zu erreichen. Die Forst- und Holzwirtschaft ist ein Wegbereiter dafür – durch die Bereitstellung einer biobasierten Rohstoffgrundlage mit breitem Anwendungsgebiet. Bei der Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten bleibt die Frage nach der Verfügbarkeit. Das gilt auch für den nachwachsenden Rohstoff Holz. Um den Wald als Grundlage für die holzbasierte Bioökonomie zu erhalten – und darüber hinaus auch seine Schutz- und Erholungsfunktion und die Biodiversität nicht zu gefährden – bedarf es einer aktiven Forstwirtschaft. Besonders im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen sind die nachhaltige Bewirtschaftung und der gezielte Waldumbau für dessen klimaresiliente Entwicklung und damit für die langfristige Rohstoffverfügbarkeit unumgänglich.
In der Anwendung ist Umsicht gefragt. Es geht nicht in erster Linie darum, mehr Holz zu nutzen, sondern bisherige und zukünftige Anwendungen abzustimmen, nachhaltig anzupassen und moderat zu erweitern. Eine Anpassung an die sich auf lange Sicht durch den Waldumbau verändernden Sortimente (Inwertsetzung von Laubholz), eine höhere Materialnutzungseffizienz in der Primärnutzung und die Ausschöpfung des Potenzials der Sekundärressourcen für eine in erster Linie stoffliche Nutzung sind dabei die Herausforderungen.
Weitere Informationen und Ansprechpartner:innen
Die österreichische Bioökonomiestrategie und der Aktionsplan Bioökonomie
Die österreichische Bioökonomiestrategie von 2019 beinhaltet einen Rahmenplan und Handlungsoptionen; Ende 2022 wurde ein Aktionsplan präsentiert, der gemeinsam mit dem Bioökonomie-Netzwerk einen wesentlichen Bestandteil der nationalen Strategie bildet. Gegliedert in elf Themenbereiche, sind darin insgesamt 114 konkrete Maßnahmen angeführt und in weitere Handlungsfelder zusammengefasst.
Die Bioökonomiestrategie für Österreich und der Aktionsplan Bioökonomie sind online beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) abrufbar: www.bmk.gv.at
Bioeconomy Austria
Mit Bioeconomy Austria legte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im Zuge der Holzinitiative des Österreichischen Waldfonds 2022 das Fundament für ein österreichweites Netzwerk mit derzeit bereits über 150 Partner:innen. Als Projekt der nationalen Bioökonomiestrategie steht es interessierten Organisationen für den Austausch von Informationen und Know-how offen, um Projekte entlang der Wertschöpfungskette entwickeln und umsetzen zu können. Der erste Schwerpunkt des Netzwerks liegt auf dem Rohstoff Holz. Weitere Informationen gibt es auf der Kooperationsplattform unter www.bioeconomy-austria.at
Bioökonomiezentrum der Universität für Bodenkultur Wien
Erfolgsfaktoren für Bioökonomie sind die Investition in Forschung und Innovation und die Schaffung von Kompetenzzentren. Mit der Gründung des Bioökonomiezentrums an der Universität für Bodenkultur wurden eine Institution und ein Treiber für Entwicklung geschaffen, um inneruniversitär und extern Projekte im Bereich der Bioökonomie zu initiieren und bioökonomie-relevante Aktivitäten im Forschungs-, Bildungs- und Innovationsbereich zu unterstützen.
Zentrum für Bioökonomie
Peter-Jordan-Straße 82/II
1190 Wien
www.boku.ac.at/zentrum-fuer-biooekonomie
T +43 (0)1/476 54-95500
bioeconomy(at)boku.ac.at