Durch Luftströmungen über Leckagen in der Gebäudehülle besteht ein besonders hohes Befeuchtungsrisiko. Schon 1989 zeigte eine Laboruntersuchung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (ibp) in Stuttgart, dass Fugen in raumseitigen Dampfsperren um Größenordnungen höhere Befeuchtungsrisiken hervorrufen als die reine Dampfdiffusion. Für diese Feuchteschäden sind bestimmte Strömungsmechanismen verantwortlich. Da diese Restleckagen unvermeidlich sind, müssen sie von einer fehlertoleranten Konstruktion verkraftet werden.
Früher versuchte man sich Tauwasserschäden meist mithilfe von Wasserdampfdiffusionsprozessen zu erklären, mittlerweile aber hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Wasserdampfkonvektion, also der Wassertransport durch Luftströmung, ein besonders großes Befeuchtungsrisiko darstellt. Die Diagnose von Feuchteschäden, die durch Luftleckagen in der Gebäudehülle entstanden sein können, erfordert eine detaillierte Kenntnis der Antriebskräfte und Strömungsmuster. Die unten stehende Grafik zeigt, dass der Dampftransport über eine 1 Meter lange Fuge im Millimeterbereich auch bei geringen Druckunterschieden (5 Pascal) an der Gebäudehülle schnell ein Vielfaches des Diffusionstransports über 1 m2 erreichen kann. Folgerichtig enthielten schon die ersten Fassungen der deutschen Luftdichtheitsnorm Hinweise darauf, dass die Einhaltung der Grenzwerte nicht automatisch vor Feuchteschäden durch gravierende lokale -Fehlstellen schützt. In der aktuellen Ausgabe der din 4108-7: 2011 heißt es dazu: »Selbst bei Einhaltung der oben genannten Grenzwerte (n50 ≤ 1,5 bis 3,0 [1/h]) sind lokale Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht möglich, die zu Feuchteschäden durch Konvektion führen können. Die Einhaltung der Grenzwerte ist somit kein hinreichender Nachweis für die sachgemäße Planung und Ausführung eines einzelnen Konstruktionsdetails, beispielsweise eines Anschlusses oder einer Durchdringung.«
Antriebskräfte und Strömungsrichtung
Zur richtigen Diagnose der Tauwasserrisiken von Luftleckagen ist bauphysikalischer Sachverstand erforderlich. Nicht jedes Loch in der Gebäudehülle birgt die gleiche Gefahr. Vor allem dann, wenn unter winterlichen Bedingungen der Luftstrom vom Raum nach außen gerichtet ist, besteht die Möglichkeit zur Kondensation von Wasserdampf in der Konstruktion. Der thermische Auftrieb ist der kritischste Strömungsantrieb. Je größer die Temperaturdifferenz zwischen drinnen und draußen, desto stärker ist der Luftstrom und desto größer das Kondensatrisiko. Deshalb bestehen im oberen Teil des Gebäudevolumens, typischerweise im Dachgeschoss, die bedeutsamsten Befeuchtungspotenziale. Leckagen im Bereich des größten Unterdruckes (z. B. bei Schwellen an Haus- und Terrassentüren oder dem Sockelpunkt) sind meist verantwortlich für unangenehm empfundene Zugerscheinungen und die Ausbildung eines »Kaltluftsees« im Fuß-bodenbereich des Erdgeschosses. Feuchtetechnisch gesehen ist dies aber als unkritisch zu bewerten, da sich die eindringende Außenluft auf dem Weg ins Rauminnere stets erwärmt und damit eine niedrigere relative Luftfeuchte annimmt. Da die Ausgleichsfeuchte aller hygroskopischen Materialien der relativen Luftfeuchte in ihrer Umgebung folgt, können auf diesem Strömungsweg keine unzuträglichen Materialfeuchten entstehen.
Insbesondere bei Gebäuden mit Holzbalkendecken werden immer wieder größere Luftleckagen im Bereich der Deckenhohlräume festgestellt (z. B. bei Holzfachwerkkonstruktionen oder Skelettbauten mit vielen Balkendurchdringungen). Ob diese Undichtheiten ein feuchtetechnisches Risiko darstellen, ist auch abhängig von der Leckageverteilung. Je nach Lage der betreffenden Decke im Gebäudeschnitt und je nach Verteilung der Leckagen über die Gebäudehülle kann eine Durchströmung von innen nach außen oder umgekehrt erfolgen.
Zwischenfazit: Dampfkonvektion = Risiko
- Durch Konvektion erfolgt meist weit mehr Feuchtetransport als durch Diffusion.
- Diffusion ist großflächig und gleichmäßig verteilt. Konvektion bildet lokal konzentrierte Feuchtenester.
- Diffusionstauwasser kann planerisch gänzlich verhindert oder auf ein unschädliches Maß begrenzt werden. Für die Konvektion gibt es keinen »Diffusionssperrwert«. Sobald strömende Luft unter die (raumluftbezogene!) Taupunkttemperatur abkühlt, findet Kondensation statt.
- Für jede durch Diffusion in der Tauperiode hervorgerufene Feuchtebelastung gibt es einen entfeuchtenden Gegenprozess in der Verdunstungsperiode. Eine konvektive Tauwasserbildung im Winter hat keine entsprechende trocknende »Rückströmung« im Sommerhalbjahr. Entfeuchtung ist nur über Diffusion und Verdunstung möglich.
Wie viele Reserven braucht eine fehlertolerante Konstruktion?
Konvektiv bedingten Feuchterisiken kann man am besten durch sorgfältige Planung und Ausführung der Luftdichtheitsebene begegnen. Hierzu sind seitens der Normung, in unzähligen Fachpublikationen und durch die Entwicklung innovativer Produkte der Hersteller von Bahnen und Klebemitteln in den letzten zwanzig Jahren gute Voraussetzungen geschaffen worden. Doch es bleibt ein Restrisiko. Fehler passieren immer, und bis zu einem verträglichen Maß müssen diese von der geplanten Konstruktion verkraftet werden. Die neue deutsche Holzschutznorm (DIN 68800-2: 2012) fordert für den Tauwassernachweis mittels Glaserverfahren eine jährliche Trocknungsreserve von 250 g/m2 zur Abtrocknung der Feuchtebelastungen aus Dampfkonvektion. Mittels hygrothermischer Simulationsverfahren kann der Einfluss der konvektiven Befeuchtung in Abhängigkeit von der Gebäudedichtheit planerisch erfasst werden. Auf Basis solcher Simulationen, validiert durch begleitende Freilanduntersuchungen an Testgebäuden, wurden auch die Empfehlungen der Holzforschung Austria zu Flachdächern in Holzbauweise entwickelt.