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Holzbau und die Bedeutung der Ausbildung
Gespräch mit Jörg Koppelhuber und Karl Schafferer

erschienen in
Zuschnitt 78 Ausbildung Holzbau, September 2020

Ein Gespräch über den Holzbau und die Bedeutung der Ausbildung mit Jörg Koppelhuber, Zivilingenieur für Wirtschaftsingenieurwesen – Bauwesen und Bauwirtschaftsexperte im Holzbau in Graz, Karl Schafferer, Holzbaumeister und Geschäftsführer von Schafferer Holzbau in Navis, Tirol, und Arno Ritter, Leiter des aut. architektur und tirol.

Der Holzbau hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem verändert. Wie habt ihr diese Entwicklung erlebt?

Karl Schafferer Ich hätte in keine bessere Zeit hineingeboren werden können. Der Holzbau ist wahrscheinlich die am weitesten entwickelte Branche im Baugewerbe, weil die Entwicklung bereits vor zwanzig Jahren mit der Automatisierung des Zuschnitts begonnen hat. Dann kam die Digitalisierung in der Planung, und das Handwerk 4.0 wird sicher die nächste Revolution einläuten.

Wie hat sich die Rolle des Handwerks verändert? Es gibt die Mitarbeiter, die die CNC-Maschinen bedienen, dann jene, die in der Halle die Elemente vorfabrizieren, und schließlich die Monteure auf der Baustelle …

Karl Schafferer Die Rolle des Handwerks hat sich zwar stark verändert, aber es braucht nach wie vor das Handwerk. Das wird auch so bleiben, weil wir ein Produkt bearbeiten, das eigenwillig ist und individuelle Lösungen ermöglicht. Wir müssen vor allem an der Verbesserung der Baukultur arbeiten und aufpassen, dass sich der Holzbau nicht zu einem reinen Plattenbausystem verändert.

Jörg Koppelhuber Der Holzbau hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Ich sehe die Entwicklung aber ambivalent. Einerseits haben wir die handwerklichen Zimmereien und andererseits den industrialisierten Holzbau mit automatisierten Anlagen, die den Mitarbeitern eine andere, meist höher qualifizierte Rolle zukommen lassen. Als österreichisches Holzbauunternehmen ist man im In-, aber vor allem im Ausland gern gesehen, denn wir stehen für moderne Technologien, Innovation und höchste Kompetenz. Und diese Kompetenz gilt es zu erhalten und auszuweiten.
Heutzutage muss ein Holzbauunternehmen aber immer öfter die Rolle des General- oder sogar Totalunternehmers wahrnehmen und mehr als zwanzig andere Gewerke koordinieren. Die große Herausforderung für die nächsten Jahre wird daher sein, eine Ausbildungsschiene vom Lehrling bis zum Polier, vom Bauleiter bis zum Ingenieur auf- und auszubauen, um großvolumige Projekte ganzheitlich, also alle Gewerke mitdenkend, abwickeln zu können. Wir müssen aus der Rolle des klassischen Nachunternehmers herauswachsen und Verantwortung für das Gesamtprojekt und damit auch für die anderen übernehmen.

Karl Schafferer Wahrscheinlich braucht es eine neue Ausbildungsschiene, die sich auf dieses Generalunternehmertum für den Holzbau spezialisiert. Wenn wir von Handwerksbetrieben sprechen, so sind diese speziell in Österreich aber sehr klein strukturiert.

Jörg Koppelhuber Es geht dabei auch um den Unterschied zwischen Holzbau und Zimmerei: Wenn ich von der Zimmerei spreche, meine ich das klassische Handwerk, das ich unbedingt in Österreich brauche und das wir auch künftig aus- und weiterbilden müssen. Mit dem Holzbau bezeichne ich aber Unternehmen, die eine gewisse Größe und auch Industrialisierung erreicht haben. In Österreich gibt es rund 2.100 Zimmereien,
die im Durchschnitt sieben Mitarbeiter haben. Wie viele habt ihr?

Karl Schafferer Wir haben sechzig Mitarbeiter. Aber trotzdem sind wir – wenn ich das Handwerk mit der Industrie vergleiche – immer noch ein kleiner Betrieb. Neben dem Handwerk gibt es noch den industriellen Holzbau, und der ist zurzeit stark auf dem Vormarsch. Es entstehen gerade neue Fabriken für hochindustrielle Fertigungen nach dem Vorbild der Automobilindustrie. Das heißt, es gibt nicht zwei Sparten, sondern drei.

Der Holzbau hat sich in seiner Dynamik in Richtung »immer schneller, höher, weiter« entwickelt. Gewisse Betriebe, aber auch Architekten und Bauingenieure sind wie Spitzensportler. Nur der »Breitensport« im Holzbau hinkt hinterher. Denn das Wissen im Holzbau ist in der Architektenschaft und bei den Bauherren noch nicht wirklich sehr breit vorhanden.

Jörg Koppelhuber Ich bin Bauingenieur und wurde baustoffneutral ausgebildet, ähnlich wie ein Architekt, der im Sinne seines Bauherrn baustoffneutral denken muss. Das heißt, wir bekommen gewisse Kompetenzen vermittelt mit viel Fachwissen, aber immer ohne spezielle Präferenz. Das ist eine schwierige Diskussion, die wir auch in Bezug auf das Handwerk führen müssen. Denn unsere gebaute Umwelt hat mittlerweile eine Komplexität und vor allem Variabilität in den Materialien erreicht, die mit einer herkömmlichen Ausbildung nicht mehr zu bewältigen sind.
Wir brauchen daher verstärkt eine duale Ausbildung. In Deutschland ist dieses Konzept bereits weiter verbreitet. Wir brauchen diese fundiert ausgebildeten Personen mit Praxiserfahrung, die nicht nur am Tablet arbeiten können – Stichwort Digitalisierungsoffensive des Bauhauptgewerbes –, sondern auch verstehen, was fachlich dahintersteckt und welche technischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge mit anderen Gewerken und Baustoffen zu beachten sind.

Karl Schafferer Die duale Ausbildung halte ich auch für enorm wichtig. Als Vorsitzender von proHolz Tirol habe ich mich immer dafür eingesetzt. Wir haben eine HTL mit Spezialisierung auf Holzbau in Tirol aufgebaut. Jetzt geht es darum, diese Ausbildung zu verbessern und zu erweitern.

Wie seht ihr die Zukunft der Ausbildung im Holzbau und welche Rolle spielt sie für die weitere Entwicklung?

Jörg Koppelhuber Das Wichtigste ist eine fachlich solide Grundausbildung. Zum Holzbau gehören Baustatik, Bauphysik, Montage- und Verbindungstechnik, ein Gefühl für Kosten und Qualität, aber auch ein gewisses Architekturverständnis. Das muss auf allen Bildungsniveaus, vom Lehrling über den Polier und den Techniker bis hin zu den Studierenden gelehrt werden. Die Zeiten sind vorbei, in denen wir oberflächlich etwas im Holzbau erzählen können. Wir haben nicht mehr das Problem, dass wir die Leute vom Holzbau überzeugen müssen, aber die Krux ist: Uns fehlt in allen Bereichen die Möglichkeit, Detailwissen weiterzugeben.
Wir müssen daher über alle Berufs- und Verantwortungsebenen hinweg fundierte und spezialisierte Weiterbildung anbieten.
Eine verpflichtende Weiterbildungsmaßnahme, wie es sie teilweise in Deutschland gibt, wird in Österreich derzeit auch diskutiert und ist meines Erachtens auch mehr als sinnvoll und überfällig.

Karl Schafferer Ausbildungsstätten haben wir mehr als genug, aber die Holzbranche muss das Thema selbst in die Hand nehmen. Nach dem Vorbild der Bauhöfe müssen wir eine holzspezifische Ausbildung aufbauen. Das Problem besteht nur darin, dass die Holzbranche nicht die gleichen finanziellen Mittel hat wie die Bauindustrie. Und wir dürfen in der Ausbildung nicht die Basics vergessen. Ich kann zwar viel mit der EDV machen, aber wenn ich die Grundlagen nicht verstehe, wenn ich mir eine Konstruktion nicht bildlich vorstellen kann, weil ich sie noch nicht gesehen habe oder selbst einmal mit der Hand gezeichnet habe, dann wird es schwierig. Ich brauche daher Allgemeinwissen und einen handwerklichen Hausverstand. Diese Initiative muss überregional, österreichweit stattfinden.

Jörg Koppelhuber Arno Ritter hat die Tendenz zur Elitenbildung im Holzbau angesprochen, dem kann ich nur zustimmen. Auch der Beruf des Holzbauingenieurs – oder der Ruf danach – trägt stark dazu bei, dass das Bauen mit Holz elitär wirkt. Keine Frage, den Holzbauingenieur benötige ich für spezifische, großvolumige Konstruktionen und Sonderbauten. Aber der »normale« Holzbau, auch der mehrgeschossige Holzwohnbau, müsste Bestandteil des Standardwissens sein oder zumindest werden. Es sollte einfach jeder Architekt, jeder Bautechniker (HTL) ein gewisses Systemwissen im Holzbau haben. Wenn wir jetzt nur Holzbauingenieure oder Holzbauarchitekten ausbilden, dann beschränken wir uns immer auf eine kleine, elitäre Runde. Dann kann der Holzbau nicht in die Breite kommen.

Anzahl und Größe der Holzbauunternehmen im DACH-Raum


verfasst von

Arno Ritter

Leiter des aut. architektur und tirol, Kurator, Ausstellungsmacher und freier Kulturpublizist

Jörg Koppelhuber

Koppelhuber² und Partner

Karl Schafferer

Die Zimmerei Schafferer in Navis, Tirol, wurde 1958 gegründet. 1988 übernahm der jetzige Geschäftsführer Karl Schafferer das Unternehmen. Karl Schafferer ist zudem Vorsitzender von proHolz Tirol.

Erschienen in

Zuschnitt 78
Ausbildung Holzbau

Vom Brett bis zum Haus, vom Handwerk bis zur hoch industrialisierten Fertigung – die Jobs im Holzbau sind vielfältig, spannend und modern.

8,00 €

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Zuschnitt 78 - Ausbildung Holzbau