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CNC-Fertigung im Holzbau
Von der Renaissance traditioneller Holzkonstruktionen und Verbindungen

erschienen in
Zuschnitt 81 Knoten und Verbindungen, Juni 2021

Die Digitalisierung der Fertigungsprozesse im Holzbau und damit verbunden die kontinuierliche, digitale Prozesskette vom Entwurf bis zur Fertigung veränderten nicht nur die handwerkliche Arbeit grundlegend, sondern beeinflussen auch die Architektur, die Tragwerkskonstruktionen und die Abläufe im Bauprozess nachhaltig.

Moderne fünfachsige, CNC-gesteuerte Bearbeitungszentren verarbeiten nicht nur Informationen zu den Abmessungen der Bauteile, sondern verknüpfen diese Informationen zusätzlich mit Angaben zur Position im Gesamttragwerk und setzen sie in Relation zu den jeweils benachbarten Bauteilen. Jedes Bauteil kann nun, wie bei der handwerklicher Bearbeitung im 19. Jahrhundert, als Unikat hergestellt werden, ohne höhere Kosten zu verursachen.

Die Maschine hobelt, fräst, bohrt, nutet, sägt, kehlt, falzt und schleift, wobei den Formen und der Ausrichtung der Anschnitte, Aussparungen, Zapfen und Löcher sowie des Werkstücks selbst fast keine Grenzen gesetzt sind. Dadurch lassen sich einerseits frei geformte Tragwerksgeometrien mit einer Vielzahl unterschiedlich geformter Träger bewältigen, andererseits gewinnen die komplexen, ehemals handwerklich hergestellten Verbindungen wieder an Bedeutung.

Sichtbar wird dies an den weitspannenden Hallentragwerken aus Holz, die seit Mitte der 1990er Jahre die Architektur erobern, sowie an den räumlich komplexen und individuellen Geometrien der Träger, Stäbe und Verbindungen. Besonders Tragwerke, die sich aus einer großen Anzahl individueller Einzelstäbe zusammensetzen, können nun wirtschaftlich aus Brettschichtholzstäben vorgefertigt werden. Die Holzkuppeln der sogenannten Saldomes, der Salzlagerhallen der Schweizer Rheinsalinen, mit Spannweiten von bis zu 120 Metern oder die Wiederentdeckung der Zollingerbauweise machen dies deutlich. Tonnendächer oder Gitternetzschalen, deren Tragwerke sich an die Zollingerbauweise anlehnen, überspannen heute Messe- und Produktionshallen bis zu 70 Meter weit, während historische Tragwerke dieser Art nur Spannweiten von bis zu 40 Metern erreichten. Während der Wiederholungsfaktor der Rippengeometrien bei den symmetrischen Tonnendächern relativ hoch ist, bestehen die Gitternetzschalen frei geformter, zweifach gekrümmter Dächer wie jene der Macallan Distillery in Schottland oder des Vogelobservatoriums Tij in den Niederlanden ausschließlich aus individuell geformten Rippen mit unterschiedlichen Krümmungsradien.

Analog zur Wiederentdeckung und Weiterentwicklung traditioneller Tragwerke erleben auch traditionelle Holzverbindungen wie Schwalbenschwänze, Schäftungen, Zapfen, Versätze und Verblattungen durch die Digitalisierung und Automatisierung der Fertigung eine Renaissance. Ihre Etablierung im Ingenieurholzbau ist ein Novum. Ein frühes Beispiel hierfür ist das frei geformte Dachtragwerk des Clubhauses im Nine Bridges Golf Resort im südkoreanischen Yeoju nach einem Entwurf von Shigeru Ban Architects und kaci International. Es wird von einem Gitternetz aus drei Trägerachsen gebildet, bei dem sich jeweils zwei Achsen kreuzen.

Aufgrund der Brandschutzanforderungen wurden die Knotenpunkte mit doppelten Überblattungen ausgeführt, wobei sich für die Schnittflächengeometrie der gebogenen und gleichzeitig tordierten Träger sogenannte HP-Flächen ergaben, die, den Trägerkrümmungen entsprechend, unterschiedliche Geometrien aufweisen. Da sich die üblichen Planungsinstrumente für derartige Konstruktionen nicht eigneten, wurde ein parametrisches Modell mit allgemeingültigen Regeln für alle Kreuzungspunkte entwickelt, das die Blattverbindungen im 3D-Modell automatisch konstruiert. Das komplette Tragwerk existierte bereits bis ins Detail als virtuelles Modell, bevor es gebaut wurde, und musste als physisches Modell nur noch wie ein Puzzle zusammengesetzt werden.

Heute, etwa zehn Jahre nach dem Bau einiger Pionierprojekte wie jenem in Yeoju, haben sich die neuen „alten“ Verbindungen und Tragwerke im Holzbau durchgesetzt und werden an die jeweilige Aufgabe und Situation angepasst und weiterentwickelt.

Es gibt im Holzbau seit langem CAD-Programme, die Verbindungsdetails parametrisch darstellen. Da diese das Arbeiten mit Freiformgeometrien zum damaligen Zeitpunkt noch nicht beherrschten, wurde für das Dachtragwerk des Golfclubhauses in Yeoju ein parametrisches Modell mit branchenfremder Software entwickelt, das die Verbindungen im 3D-Modell automatisch konstruiert. Die Daten aller Bauteile wurden dann auf die übliche CAD-Software übertragen. Nur so war das hochpräzise Abbinden derart komplex geformter Teile möglich.


verfasst von

Simone Jeska

Simone Jeska studierte Architektur an der TH Nürnberg und Architekturtheorie und -geschichte an der ETH Zürich. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Erschienen in

Zuschnitt 81
Knoten und Verbindungen

Bauen mit Holz heißt Verbindungen schaffen. In diesem Zuschnitt zeigen wir, auf welch vielfältige und teils unerwartete Weise sich Holz fügen lässt und warum Knoten mehr sind als der bloße Zusammenschluss einzelner Teile.

8,00 €

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Zuschnitt 81 - Knoten und Verbindungen

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