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Bueberseeli in Bern

erschienen in
Zuschnitt 85 Pause, Auszeit, Holz, März 2022

Daten zum Objekt

Standort

Bern/CH Google Maps

Bauherr:in

Hochbau Stadt Bern, Bern/CH, www.bern.ch

Architektur

Rolf Mühlethaler, Bern/CH, www.rolf-muehlethaler.ch

Statik

Indermühle Bauingenieure, Thun/CH, www.i-b.chIUB Engineering AG, Bern/CH, www.engineering-group.ch

Holzbau

Wenger Holzbau AG, Steffisburg/CH, www.wengerholzbauag.ch

Fertigstellung

2019

Sommerbad an der Aare

Die Stadt Bern hat vieles, aber keinen See. Was sie aber hat, sind drei Badeanstalten am Aarebogen, dort wo der Fluss die Stadt umschließt: im Süden die Liegewiese Dählhölzli, nordseitig das Lorrainebad und mittendrin in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum das Aarebad Marzili, von den Berner:innen „Marzer“ genannt. Der Fluss Aare formt die hufeisenförmige Halbinsel, die Aareschlaufe, auf der 1191 Herzog Berchtold V. von Zähringen die Stadt Bern gründete, die Aare prägt die Form der Innenstadt, und aus dieser sind die drei genannten Badeorte am Fluss nicht mehr wegzudenken.

Der Marzer, ursprünglich eine Insel, ist das beliebteste Flussbad, weil er vom Zentrum her mit einer Standseilbahn, zu Fuß oder mit dem Fahrrad in ­wenigen Minuten erreichbar ist. Von dort führt ein Spazierweg kilometerlang entlang der Aare Richtung Süden – auch und vor allem für die Badegäste, die sich anschließend von weit her flussabwärts an den Ausgangspunkt zurücktreiben lassen. Der Eintritt für das alles ist frei. Der Marzer ist dreigeteilt, in eine Abteilung für Frauen südseitig, für Männer nordseitig und mittendrin für Familien. Das ist nicht streng geregelt, aber es hat sich so über die Jahre eingebürgert und das Wasserbecken beim Männerbad heißt von alters her Bueberseeli oder – wie man in Bern sagt – der Bueber.

Ein maroder Steg als Auslöser für Neues

Ein hölzerner Steg mit Sitzbänken trennt dort den Badebereich vom rasch fließenden Fluss und umschließt den ehemaligen Auslauf der seit Frühsommer 1969 zugeschütteten kleinen Aare. Die beliebte Anlage für Ruhesuchende musste aber 2015 geschlossen werden, denn allzu lange war auf Investitionen verzichtet worden. Ihr Zustand war marode – Korrosion der Stahlspundwände, morsche und einsturzgefährdete Holzbretterböden, Betonabplatzungen und korrodierte Armierungseisen an der Steganlage – die Sicherheit der Badegäste war laut einem Gutachten (B+S Ingenieure und Planer, Bern) nicht mehr gewährleistet.
Eine Entwicklungsstudie vom November 2015, erstellt durch das Team von Architekt Rolf Mühlethaler, Bern, und w+s Landschaftsarchitekten, Solothurn, zeigte unterschiedliche Möglichkeiten auf, das Bueberseeli und seine zugehörigen Bauten zu sanieren. Sechs Varianten wurden erarbeitet, skizziert und berechnet, von der einfachen Instandsetzung bis hin zur Wiederherstellung der Marzili-Insel im Zustand bis 1968. Aufgrund einer Machbarkeitsstudie von 2016, an der das Planungsteam und neu auch HUB Engineering beteiligt waren, wurde der Beschluss gefasst, das Bueberseeli in seiner bisherigen Form zu sanieren, die zugehörigen Bauten zu erneuern respektive zu ersetzen und die Wasserqualität durch einen künstlichen Zuflusskanal von der Aare her zu verbessern, ein Kanal, der zugleich den Aarebadenden den Zugang vom Fluss her erlaubt. Die nordseitig außerhalb der Badeanlage verankerten Schiffe des Pontonierfahrvereins und der Sanitätspolizei liegen nun in Strömungsrichtung und sind bequem über einen in der Abschlusswand integrierten Steg erreichbar.

Realisierung 2019

Im Winter 2018 wurden die Arbeiten begonnen und rechtzeitig zu Saisonbeginn war die Anlage betriebsbereit. Endlich war dieser für die Karten und Schach spielenden Herrschaften im Männerbad traurige Zustand beim Bueber beendet. Das Projekt von Architekt Rolf Mühlethaler nimmt mit seiner Steganlage und den Sitzbänken die ursprüngliche Form der Anlage auf, setzt aber formal und technisch neue Akzente. Der neue Schwimmkanal von der Aare zum Bueberseeli wird rege benutzt, die Schwim­mer:innen queren durch den großzügigen, gedeckten Kanal die Anlage und der Bueber wird so zum neuen und sicheren Ausstiegsort aus der schnell fließenden Aare. Vor allem wird das Bueberseeli durch diesen Aarezufluss reaktiviert und kann so nicht mehr verschlammen. Eine Biberfamilie, die sich dort eine Heimstatt gebaut hatte, wurde zudem ­erfolgreich umgesiedelt.

Mit großer Sorgfalt geplant und konstruiert

Der neue Holzbau lehnt sich in Maßstab und Typologie an die bestehenden denkmalgeschützten, ­filigranen Garderobenbauten aus Holz des Marzilibads an. Die neue Hochwasserschutzkante aus ­Beton ist in ihm integriert. Die Geometrie der aareseitigen Abschlusswand entspricht dem Vorgängerbau und räumlich somit der Spitze der ehemaligen Aareinsel. Diese Stegkonstruktion erstreckt sich über eine Gesamtlänge von 90 Metern. Davon befinden sich rund 70 Meter über der Aare auf einer Stahlbetonkonstruktion, abgestützt auf Stahlspundwänden. Der Rhythmus von Primärstruktur und Ausfüllung folgt einem ­Raster von 2,25 Metern und erzeugt durch seine ausgewogene Proportion eine elegante Wirkung.

Für das Tragwerk und stark beanspruchte Teile wie den Bodenrost oder die zeitweilig im Wasser stehende äußere Aufprallschalung wurde Eichenholz eingesetzt. Auch die Sitzbank (27 × 400 mm) besteht aus Eiche. Die weniger beanspruchten Teile, wie die Ausfachungen zwischen den Tragstützen und deren Unterkonstruktionen, bestehen aus Fichtenholz. Mit Ausnahme des Bodenrosts (Eiche) ist die gesamte Steganlage hellgrau gestrichen. Sparrenlage (80 × 120 mm) und Dachschalung (Dreischichtplatte 40 mm) sind aus Fichte naturbelassen gebaut. Die tragenden Stützen sind auf die untenliegende Betonkonstruktion über Verbundanker und eingeklebte Gewindestangen gesichert und mit der massiven Unterkonstruktion verbunden. Alle Schrauben im Hartholz sind mit einer Vorbohrung befestigt. Die mit schmalen Schlitzen zwischen den vertikalen Brettern optisch durchlässig gebaute Trennwand erzeugt ein Wechselspiel von Licht und Schatten. Die integrierten Sitzbänke haben eine geschützte Lage und sind damit erneut ein beliebter Ruheort für Sonnenbad, Mittagspause mit kleinem Schwatz oder ein Nickerchen.

Vorwiegend verwendetes Holz und Holzbehandlung:
Es kam ausschließlich Holz als der Schweiz zum Einsatz: Eiche für alle stark beanspruchten Bauteile wie Bodenrost, äußere Aufprallschalung (zeitweilig im Wasser) und Tragstruktur, Fichte für weniger strapazierte Elemente (Tragstützen, Ausfachung, Unterkonstruktion). Nach Vorbild der ursprünglichen Garderobenbauten sind sämtliche Bauteile, bis auf Dach und Bodenrost, mit wasserverdünnbarer, lösemittelfreier Farbe auf Leinölbasis gestrichen.


verfasst von

Charles von Büren

Architekt aus Bern, seit 1974 publizistische Tätigkeiten zu den Themen Bau, Technik und Design, bis 2000 PR-Beauftragter der Lignum, von 2000 bis 2006 verantwortlich für die Kommunikation des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA, Korrespondent der Zeitschrift TEC21.

Erschienen in

Zuschnitt 85
Pause, Auszeit, Holz

Ob Freizeit, Ferien oder Wochenende – eine Pause vom Alltag muss nicht immer ein großes Spektakel sein. Wir zeigen Orte der Naherholung und Räume für eine Auszeit, geprägt von Holz.

8,00 €

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Zuschnitt 85 - Pause, Auszeit, Holz