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Nachgefragt Welches Potenzial steckt in der Vorfertigung?

erschienen in
Zuschnitt 50 Konfektionen in Holz, Juni 2013

Wir haben vier Holzbau-Experten eingeladen, mit uns über die Chancen der Vorfertigung im Holzbau zu diskutieren.

Vorteile

Was sind die Vorteile einer Vorfertigung und welche Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich dadurch dem Holzbau?

Wolfgang Aigner Die Vorteile der Vorfertigung sind die Produktion von Wand-, Decken- und Dachelementen unter kontrollierten Bedingungen. Das bedeutet kein Improvisieren auf der Baustelle, hohe Produktqualität, schnelle Montagezeiten, sehr genau kalkulierbare Zeit- und Ablaufpläne, Unfallprävention usw. Dadurch entwickeln sich für den Holzbau »neue« Einsatzgebiete, in denen oben genannte Kriterien zum Tragen kommen. So bietet der Holzbau speziell auch im innerstädtischen Bereich Vorteile, wo schnelle Bauzeiten, ein trockener Baustoff et cetera eine wichtige Rolle spielen.

Friedrich Schachner Die witterungsgeschützte Produktion führt zu einer höheren Genauigkeit durch eine detaillierte Vorplanung und einen exakten Zuschnitt mit cnc-gesteuerten Maschinen. Auch der exakte Einbau von Haustechnikkomponenten und Installationen ist schon im Werk möglich. Durch die Vorfertigung sind die Einsatzzeiten auf der Baustelle kürzer, daher entsteht weniger Lärmbelästigung für die Anrainer. Insgesamt ist diese Art der Produktion auch für den Bauträger bzw. Investor wirtschaftlicher.

Simon Speigner Die Vorteile sind eine exaktere, wetterunabhängige, schnelle und serielle Fertigung sowie geringe Emissionen auf der Baustelle. Mit einem straffen Zeitplan und einer guten, präzisen Arbeitsvorbereitung bietet sich der Holzbau für die Vorfertigung geradezu an, ermöglicht durch sein geringeres Gewicht im Vergleich zum Massivbau (Hubleistung).

Bernd Troppmann Einen wesentlichen Vorteil der Vorfertigung sehe ich in der dafür notwendigen genauen Planung und weiterführend in der exakten Ausführung. Alle beteiligten Professionisten führen serielle Arbeitsschritte durch und müssen sich nicht damit beschäftigen, wie sie zum Beispiel 150 Waschbecken auf die Baustelle bringen, um sie in den einzelnen Zimmern zu verteilen und zu montieren. Bei der Vorfertigung kann eine Person all diese Schritte schonend für Material und Körper in den einzelnen Brettsperrholz-Modulen positionieren.

Persönlicher Zugang zur Vorfertigung

Welche Rolle spielt die Vorfertigung in Ihrem Unternehmen? Wann und wo ergibt Vorfertigung überhaupt Sinn?

Wolfgang Aigner Bei uns im Unternehmen spielt die Vorfertigung eine große Rolle. Vor allem in den letzten Jahren wurden der Grad der Vorfertigung und damit verbunden auch die Werkplanung, die Basis für die Vorfertigung, Schritt für Schritt ausgebaut. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das permanente Abwägen zwischen dem Grad der Vorfertigung, der, je nach Bauaufgabe, unterschiedlich ausfällt – das heißt mal mehr, mal weniger! Eine pauschale Aussage darüber, wann und wo Vorfertigung Sinn hat und in welcher Vorfertigungstiefe, ist nur bedingt möglich, da bei uns ausschließlich individuelle Projekte realisiert werden und damit jedes Projekt eine andere Herausforderung darstellt. Vorfertigung bedeutet ja auch nicht nur Vorfertigung im Werk, sondern damit verbunden auch Transport, Logistik und Montage, die in diesem Kontext eine ganz essenzielle Rolle spielen.

Friedrich Schachner Die Vorfertigung ist in unserem Unternehmen ein bedeutender Bereich, der noch mehr ausgebaut wird. Vorfertigung ergibt bei allen Gebäuden Sinn, lediglich bei sehr komplizierten An- und Umbauten ist eine Vorfertigung nicht machbar.

Simon Speigner Wir haben bereits vor Jahren mit dem Punto-ese-Projekt in Mondsee ein vorgefertigtes Modulbüro realisiert. Die Vorfertigung bedingt eine längere Planungszeit, gewährleistet danach aber eine extrem kurze Bauzeit. Serielle Konzepte wie bei einem Hotel-, Beherbergungsbetrieb oder Ähnlichem bieten sich für Vorfertigung optimal an. Der Holzverbrauch ist bei der Modulbauweise etwas höher als bei der Elementbauweise, dafür ist der Baufortschritt hier noch schneller.

Bernd Troppmann Eine kontinuierliche Prozesskette im Werk ermöglicht nicht nur höchste Qualitätsstandards, sondern auch enorme Zeit- und Kostenersparnis im Vergleich zur konventionellen Fertigung. Speziell dort, wo extrem kurze und witterungsunabhängige Bauzeiten gefragt sind, besticht die Vorfertigung durch anrainerfreundliche und lärmreduzierte Montage.

Wirtschaftliche Aspekte

Wo liegen die wirtschaftlichen Vorteile bzw. Risiken der Vorfertigung?

Wolfgang Aigner Durch die Vorfertigung wird im Zuge der detaillierten Werkplanung der Planungsaufwand erhöht, das bedeutet aber kein Risiko, sondern im Gegenteil vor allem Vorteile. Schon vorab werden mit den anderen Gewerken sämtliche Details besprochen, abgestimmt und in der Werkplanung berücksichtigt. Entscheidend ist auch der Grad der Vorfertigung, um den Bauherren auf der Baustelle noch eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen bzw. grundsätzlich den Transport, die Logistik und die Montage ökonomisch und »einfach« zu gestalten.

Friedrich Schachner Die Vorteile sind geringere Kosten der Industriestunde im Werk und auf der Baustelle und eine schnellere Bauzeit. Die Nachteile sind höhere Planungskosten (umfangreichere Detailplanung) und höhere Transportkosten.

Simon Speigner Bei der seriellen Modulfertigung liegt alles in einer Hand, wodurch eine Gewährleistungszusammenfassung möglich ist. Der Aufwand der örtlichen Bauaufsicht vor Ort, die Gerüstkosten (wenn überhaupt notwendig) und die Baustellengemeinkosten sind geringer. Die Nachteile sind: Im Bauzeitenplan ist man teilweise abhängig vom örtlichen Massivbau (Vorleistungen), bei Schlechtwetter ist die Montage nur eingeschränkt möglich und die Logistik ist starr. Leider gibt es bei den Holzbau- und Zimmereibetrieben sehr wenige, die sich über Großprojekte »drübertrauen« – meist ist das wirtschaftliche Risiko im Verhältnis zum Umsatz zu groß. Einigen fehlt auch der hohe Grad an Arbeitsvorbereitung. Dies wird sich aber in Zukunft ändern.

Bernd Troppmann Ein wesentlicher wirtschaftlicher Vorteil der Vorfertigung liegt darin, dass alle Arbeitsschritte von der Planung über die Produktion der Brettsperrholzelemente bis hin zum Zusammenbau der einzelnen Module exakt abgestimmt sein müssen und somit auch kalkulatorisch von Anfang an klar darstellbar sind. »Überraschungen« während der Bauphase spielen bei der Vorfertigung nur eine untergeordnete Rolle. Die Baukosten können durch besseres Know-how weiter reduziert werden.

Mehrgeschossiger Wohnbau in Holz

Wie kommt der Holzbau in die Höhe? Was braucht es, um wettbewerbsfähige Bausysteme aus Holz für den mehrgeschossigen Wohnbau auf dem Markt zu etablieren?

Wolfgang Aigner Die Lösungen für mehr Höhe sind meiner Meinung nach vorhanden, verschiedenste Pilotprojekte unterstreichen dies eindrucksvoll. Was es braucht, ist ein größeres Engagement der Bauträger und der öffentlichen Hand sowie einen transparenten Kostenvergleich. Dieser sollte den gesamten Produktlebenszyklus berücksichtigen. Auch die Gesetzgebung ist gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Natürlich bedarf es auch der Holzbaubetriebe mit dem notwendigen Holzbau-Know-how und einer entsprechenden Infrastruktur bzw. maschinellen Ausstattung.

Friedrich Schachner Es braucht einheitliche, genormte Maße für Brettschichtholz und Brettsperrholz ähnlich dem Stahlbau sowie Regeldetails für Anschlüsse und Übergänge (zum Beispiel Wand/Decke oder Wand/Unterbau). Es bedarf aber auch einer anderen Ausschreibungsmentalität: weg von der Ausschreibung von Einzelgewerken hin zur gu-Ausschreibung mit Fixpreisgarantien.

Simon Speigner Es braucht engagierte Planer und mutige, vorausdenkende Bauherren sowie aufgeschlossene Behörden und Gesetzgeber. Es bedarf weiters innovativer Brandschutzkonzepte und einer Adaption der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Bei Neubauten muss endlich den ökologischen Kriterien, wie der Gesamtökobilanz und den Lebenszykluskosten, ein größerer Stellenwert eingeräumt werden.

Bernd Troppmann Wir haben aktuell zwei achtgeschossige Studentenheime in Brettsperrholz in Norwegen errichtet. Alle Brettsperrholz-Hersteller haben mittlerweile gute Referenzen im Ausland, und dies hilft uns, auch in Österreich gemeinsam den politischen Druck zu erhöhen. Mehr als vier Stockwerke in Holz sind in Österreich noch mit anstrengenden Behördenwegen verbunden. Daher liegt es nicht nur an uns Herstellern, sondern auch an den Planern und ausführenden Betrieben, das Thema weiter voranzutreiben und mit realisierten Bauten in den Nachbarländern zu untermauern. Ich bin sehr zuversichtlich!

Kapazitäten

Wie weit ist die Kapazität für eine großvolumige Vorfertigung in Österreich vorhanden? Welche Synergien müsste es geben, um diese zu erhöhen?

Wolfgang Aigner Die Kapazitäten für den großvolumigen Bau in Österreich sind mit Sicherheit begrenzt. Nur einige wenige ausgewählte Holzbauunternehmen verfügen über das Know-how, die Infrastruktur und die Erfahrung, Großprojekte zu realisieren. Die Synergien zwischen Plattenproduzenten und unserem Unternehmen beispielsweise werden schon jetzt genutzt.

Friedrich Schachner Die Kapazitäten sind in der Holzindustrie (Produktion der Rohteile wie Brettsperrholz oder Brettschichtholz) vorhanden. Die Fertighausindustrie und die Großzimmereien verfügen ebenfalls über ausreichende Kapazitäten. Gut wäre eine Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Planer (Architekt), Holzindustrie und ausführenden Unternehmen.

Simon Speigner Auf Seiten der Planer ist die Kapazität auf jeden Fall vorhanden. Auf Seiten der Holzindustrie fehlt es oft an der Zusammenarbeit von Kleinbetrieben, dem Mut zum Großen und einer gemeinsamen Arbeitsvorbereitung nach dem Motto »Miteinander geht’s leichter«. Immer öfter wagen es junge Betriebe, zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein Projekt zu stemmen. Einer übernimmt die Arbeitsvorbereitung und ÖBA und sucht sich für die Fertigung und die Montage einen Partner. Eine Kapazitätssteigerung in der Vorfertigung eventuell durch die Fertighausindustrie ist denkbar – vor allem im Elementriegelbau. Teilweise wollen aber Zimmereien die Wertschöpfung im eigenen Betrieb belassen. Hier müsste gesamtheitlich umgedacht werden. Das würde langfristig den Holzbau sogar noch günstiger machen.

Bernd Troppmann Die Kapazität ist sicherlich vorhanden, doch aktuell gibt es noch zu wenige Firmen, die auch das entsprechende Know-how dazu haben. Ich denke, dass der traditionelle Holzbau durch das Produkt Brettsperrholz weitere Möglichkeiten bekommen hat und speziell von den Architekten verlangt und sehr gut umgesetzt wird. Die Vorfertigung ist ein zusätzlicher Schritt.

Ausblick

Welche zukünftigen Chancen sehen Sie für den Holzbau im Hinblick auf die Vorfertigung?

Wolfgang Aigner Die Chancen für den Holzbau durch die Vorfertigung sind sehr vielfältig, finden in der Praxis aber oft noch zu wenig monetäre bzw. auch qualitative und quantitative Bewertung. Vor allem die Faktoren schnelle Bauzeit (kurze Montage- und Gesamtbauzeiten) sowie hoher Qualitätsstandard durch kontrollierte Bedingungen im Rahmen der Vorfertigung finden als Auswahlkriterien in der Praxis kaum Berücksichtigung. Ein Vorteil durch die umfassende Werkplanung und in weiterer Folge durch die Vorfertigung ist auch die Kostentransparenz. Für den Bauherrn sind die Kosten besser kalkulierbar, weil das gesamte Projekt auf Papier bereits konstruiert und damit »indirekt« auch gebaut wurde. »Überraschungen« können quasi nicht mehr passieren.

Friedrich Schachner Der Holzbau wird in der Bewertung der Nachhaltigkeit gut abschneiden (ÖGNB, klima:aktiv). Große Möglichkeiten böten sich, wenn die Hürden der Bautechnikverordnungen endlich fielen.

Simon Speigner Die Grenzen sehe ich in der Statik, Logistik und dem Transport. Es ergibt wenig Sinn, die Module quer durch Europa zu fahren – hier müsste man mit ortsnahen Produktionsstätten kooperieren. Modellbauvorhaben sind Sonderleistungen: Innovative Leute arbeiten mit demselben Ziel zusammen. Dadurch wird oft unmöglich Geglaubtes möglich gemacht. In Österreich haben wir sicherlich einen großen Know-how-Vorsprung. Nun liegt es daran, diesen Vorsprung zu nutzen und Holzbau gezielt zu exportieren. Somit könnte das österreichische Rohprodukt Holz veredelt exportiert werden – zumindest in die angrenzenden Nachbarländer. Dort sind die Märkte ja viel größer und dabei, weiter zu wachsen.

Bernd Troppmann Die Chance ist vorhanden und auch die geeigneten Projekte dafür sind auf dem Markt. Es liegt eigentlich nur daran, dass auch wirklich am Anfang – sprich vor der Planung – alle Beteiligten an einem Strang ziehen, um hinsichtlich Statik, Bauphysik und Planungsdetails die Lösungen parat zu haben.

Wolfgang Aigner
Verantwortlich für Marketing und Verkauf
Meiberger Holzbau GmbH & Co KG
www.holzbau-meiberger.at

Bernd Troppmann
Leiter der Marketingabteilung
Mayr-Melnhof Kaufmann Holding GmbH
www.mm-kaufmann.com

Simon Speigner
Architekt in Thalgau
www.sps-architekten.com

Friedrich Schachner
Vorsitzender der Berufsgruppe Bau des Fachverbandes der Holzindustrie und ­Geschäftsführer der Schachnerhaus AG
www.schachnerhaus.at


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 50
Konfektionen in Holz

Die Vorfertigung macht es möglich, wetterunabhängig, präzise und effektiv zu bauen: ganze Raumzellen ebenso wie Wand-, Decken- oder Dachelemente. Werden die Arbeiten von der Baustelle ins Werk geholt, steht einem industriell gefertigten Holzanzug nichts im Wege.

 

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Zuschnitt 50 - Konfektionen in Holz

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