Unbehandeltes Holz verändert durch den Einfluss der Witterung sein Erscheinungsbild. Eine Fassade aus diesem Baustoff erhält ihre charakteristische Graufärbung durch ein komplexes Zusammenspiel von Sonne, Wasser und Mikroorganismen.
Ein Wesensmerkmal der Natur ist ihr stetiger Wandel. Kein Baum bleibt von einem Jahr auf das andere derselbe. Und auch wenn man den Baum zu einem Baustoff verarbeitet, heißt das nicht, dass die Verwandlung zu Ende ist. Häuser mit Holzfassaden sind ein – im wahrsten Sinne – lebendiges Beispiel dafür. Die Farbe des Holzes, sofern nicht oberflächenbehandelt, verändert sich mit der Zeit. Je nach Witterung verfärben sich bald erste Stellen.
Nach spätestens einem Jahr erscheint das typische Grau des langsam alternden Holzes – was die Lebensdauer einer Fassade von zumindest dreißig Jahren keineswegs einschränkt. Aber warum kommt es überhaupt zu dieser Vergrauung? Welche chemischen, physikalischen und biologischen Prozesse stehen dahinter? Antworten auf diese Fragen weiß Gerhard Grüll, der sich bei der Holzforschung Austria mit dem Verhalten von Holz im Außenbereich beschäftigt und unter anderem untersucht, welche konkreten Auswirkungen Sonne, Regen, Schnee, Mikroorganismen und andere Umweltfaktoren auf den organischen Baustoff haben.
Der ausschlaggebende Faktor, der den Verwandlungsprozess des Holzes in Gang setzt, ist das Licht der Sonne. Das kurzwellige Licht im ultravioletten Bereich lässt bei Menschen Sonnenbrand entstehen. Beim Holz beginnen die energiereichen UV-Strahlen dagegen, das Lignin, einen der Hauptbestandteile des Materials, aufzuspalten. Sichtbar wird dieser Prozess durch eine Vergilbung und Braunfärbung. „Es ist die erste Veränderung, die man mit freiem Auge erkennen kann“, erläutert der Holzforscher. Stärkere UV-Einstrahlung, etwa in höheren Lagen, beschleunigt diesen Vorgang. Das aufgespaltene Lignin kann nun vom Regen ausgewaschen werden. Der Braunton geht verloren, zurück bleibt helle Zellulose. Stellt man diesen Vorgang im Labor nach, werde das Holz fast weiß, so der Forscher. Im Freien lagern sich aber Schmutzpartikel auf dem Holz ab, Schimmel- und Bläuepilze besiedeln die Oberfläche. „Das sind keine holzzerstörenden Organismen. Sie schaden weder der Festigkeit noch der Dauerhaftigkeit des Materials“, beruhigt Grüll.
Breiten sich dagegen Algen, Flechten und andere, holzzerstörende Pilze aus, kann das ein Anzeichen für zu viel Feuchtigkeit sein. Bei gut konstruierten Fassaden kommt das allerdings nicht vor. Maßnahmen wie eine gute Belüftung und ein ausreichender Sockelabstand, der vor bodennahem Spritzwasser schützt, verhindern, dass die Fassade ein Biotop für zersetzende Organismen wird. Auch Insekten müssen gegebenenfalls ferngehalten werden. Unbedenklich ist dagegen, wenn sich die Tiere an der Zellulose der verwitterten Holzoberfläche bedienen. „Ist das Holz von der Witterung voraufgeschlossen, nagen die Wespen daran. Sie vermischen die vergrauten Holzfasern mit ihrem Speichel und bauen ihre Nester daraus“, erläutert Grüll. „Die Wespen bauen damit ein faszinierendes Konstrukt aus dünnen Papierschichten. Unter dem Mikroskop findet man noch die ursprünglichen holzanatomischen Strukturen.“
Die Erosionsprozesse lassen das Holz Jahr für Jahr um etwa einen Zehntel Millimeter dünner werden. Da weiche Teile rascher abgebaut werden, bleibt die Maserung als Relief zurück. Witterung wirkt nicht an jeder Hausseite und in jedem Winkel gleich stark. Bis eine durchgehende silbergraue Färbung eintritt, dauert es oft Jahre.
Soll die Vergrauung aber verhindert werden, bleiben nur Oberflächenbeschichtungen. „Bei einer gut beschichteten und gewarteten Fassade wird es nie zu Erosion kommen“, sagt Grüll. Deckende Beschichtungen und Lasuren sind pigmentiert. „Viele Architekten und Bauherren wünschen sich, dass der ursprüngliche Holzton erhalten bleibt. Man braucht Additive wie UV-Absorber und Radikalfänger zum Schutz des Lignins. Das ist aber ein schwieriges Unterfangen“, betont der Holzforscher. Einfacher hat es, wer die Farbe wählt, die der Wandel der Natur mit sich bringt.