Die Diskussion ist im Gange. »Holz kehrt zurück in die Stadt«, »Holz – der urbane Werkstoff«, »Urbanes Bauen mit Holz« sind nur einige der Headlines, die in den einschlägigen Publikationen und Foren zu finden sind. Kündigen sich da wirklich eine Renaissance des ältesten Baustoffs und seine Rückkehr in die Stadt an oder ist der Wunsch wie so oft Vater des Gedankens? Ganz nüchtern betrachtet ist die Holzbauquote in der Stadt nach wie vor marginal und die – verdiente – Publizität der wenigen Projekte, die realisiert wurden, verzerrt etwas das Bild. Dabei sind die Headlines und die dahinter stehende Befassung mit dem Thema Ausdruck eines gesellschaftlichen Meinungsumschwungs. Die Notwendigkeit einer Ressourcenwende steht vor der Tür. Genauso, wie in der Energiefrage eine Dekarbonisierung stattfindet, wird der nächste Schritt die Forderung der Substitution endlicher Rohstoffe durch nachwachsende sein. Ressourcenschonung, Verwendung natürlicher Materialien, gesundes Wohnen und Arbeiten sind – auch im urbanen Umfeld – moderne Anforderungen ans Bauen geworden.
In Zukunft wird sich das Wachstum und damit auch die Bautätigkeit weltweit in den Städten abspielen, wird es darauf ankommen, dort den Bestand zu ertüchtigen, zu verdichten, aber auch den wachsenden Wohnungsmarkt effizient zu bedienen. Es wird darum gehen, schnell und möglichst störungsarm nachzuverdichten und zu sanieren, und das mit möglichst hohem Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen. Auf alle diese Anforderungen hat der moderne Holzbau die Antworten parat:
- Wir haben in Europa einen Holzreichtum, der es theoretisch erlaubt, sämtliche Bauten in Holz zu bauen, ohne dass damit Raubbau an unseren Wäldern betrieben werden muss, das Primat der stofflichen Verwertung vorausgesetzt. Das Substitutionspotenzial ist also beträchtlich.
- Durch den Einsatz von Holz insbesondere für die konstruktiven Bauteile werden der Verbrauch endlicher Rohstoffe und das Treibhauspotenzial – je nach Gebäudetyp bis zum Faktor 4 – reduziert, was in verschiedenen Forschungsprojekten nachgewiesen wurde.
- Das hohe Vorfertigungspotenzial des modernen Holzbaus erlaubt schnelles, störungsarmes und qualitativ hochwertiges Bauen, was gerade im urbanen Bereich gefordert wird.
- Der leichte, aber sehr leistungsfähige Baustoff erlaubt gerade in der Nachverdichtung von bestehenden Bauten wirtschaftliche und effiziente Lösungen.
- Für den modernen Holzbau gibt es technisch gesicherte Lösungen für großvolumiges und mehrgeschossiges städtisches Bauen, die ständig weiterentwickelt werden.
- Holz steht für viele Menschen für Natürlichkeit und Wohlbefinden und bedient die Sehnsucht des urbanen Menschen nach gesundem Wohnen in hohem Maß.
Aus dem rationalen Blickwinkel stehen also die Chancen für die verstärkte Anwendung von Holz in der Stadt sehr gut, und es ist durchaus vernünftig, weiter neue Lösungen und Konzepte zu erforschen. Ist es aber aus architektonischer Sicht vertretbar? Kann sich Holz als Baustoff in die moderne Stadt überhaupt einfügen? Auch hier ist die Antwort nicht sehr kompliziert. Ein Holzbau muss ja nicht zwangsläufig als solcher erkennbar sein, in gleicher Weise zeigt auch ein Beton- oder Stahlbau nicht unbedingt seine konstruktive Materialisierung. Die Kombination verschiedener Materialien, also das hybride Bauen, war auch historisch gesehen immer ein wichtiges Thema beim urbanen Bauen. So erscheinen viele Gebäude der historischen Stadt als massiv gebaut, obwohl der Holzanteil in Form der Decken- und Dachkonstruktionen sehr hoch ist, oft im Bereich von 50 Prozent. Daraus kann klar begründet werden, dass der urbane Charakter eines Bauwerks nicht eine Frage des konstruktiven Baustoffs ist, sondern von vielen anderen Bedingungen abhängt. Somit ist auch aus architektonischer Sicht der Weg frei für die Rückkehr von Holz in die Stadt.