Daten zum Objekt
Standort
Wien/AT Google Maps
Architektur
einszueins architektur, Wien/AT, www.einszueins.at
Bauherrin
Schwarzatal – Gemeinnützige Wohnungs- & Siedlungsanlagen GmbH, Wien/AT, www.schwarzatal.at
Verein Wohnprojekt Gleis 21, Wien/AT, www.gleis21.wien
Statik
Gschwandtl & Lindlbauer ZT GmbH, Wien/AT, www.g-l.engineering
KPZT Kurt Pock, Klagenfurt/AT, www.kurtpock.at
Bauphysik
Holzforschung Austria – Österreichische Gesellschaft für Holzforschung, Wien/AT, www.holzforschung.at
Holzbau
Weissenseer Holz-System-Bau GmbH, Greifenburg/AT, www.weissenseer.com
Fertigstellung
2019
Typologie
Das Kollektiv als Prototyp
Das Wohnprojekt Gleis 21 dürfte der bekannteste Bau im Wiener Sonnwendviertel Ost sein. Nicht nur erfuhr das Baugruppenprojekt von Beginn an viel mediale Aufmerksamkeit, der in Holz-Beton-Hybridbauweise errichtete Riegel sticht auch durch seine Holzfassade optisch aus dem Putz-Allerlei heraus. Die besondere Kombination aus Baugruppenverein und gefördertem Wohnbau machte in der Umsetzung manches komplexer, vieles aber auch einfacher – nicht zuletzt, was Holzbau und Schallschutz betrifft. Das Projekt konnte auch deshalb als Holzbau umgesetzt werden, weil der Holzbauer selbst als Generalunternehmer auftrat und nicht, wie zumeist üblich, als Subunternehmer agierte.
Die wesentlichen Herausforderungen in puncto Schallschutz waren der Anschluss der Decken an die Wohnungstrennwände, der Anschluss der Laubengänge und Balkone sowie der Veranstaltungsraum im Erdgeschoss. Die allererste Schallschutzhürde war jedoch schon vor dem Holzbau zu nehmen, berichten Katharina Bayer und Markus Pendlmayr von einszueins architektur. Durch die Nähe zu den Bahngleisen waren deren Erschütterungen abzufedern. Dafür musste die Fundamentplatte um 10 cm verstärkt werden, eine erfüllbare Forderung. Bei mehr Körperschall wäre eine zweite Platte nötig gewesen, deren Mehrkosten das Bauvorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt hätten. »Heute baut man immer näher an Infrastrukturachsen«, sagt Katharina Bayer, »das sind Lagen, in denen es der leichte Holzbau schwer hat.«
Da die Baugruppe selbst als Betreiberin auftritt und in die Planung involviert war, konnten die Anforderungen an den Schallschutz vorab optimal abgestimmt werden – die Kosten für die abgehängte Schallschutzdecke im Veranstaltungsraum wurden gemeinsam beschlossen und Konflikte in der Nutzung so bereits in der Planungsphase minimiert. Komplexer wurde es in den darüberliegenden Geschossen, wo das Holz konstruktiv zum Einsatz kam. Da die Wohnungen individuell maßgeschneidert wurden, gibt es keine Regelgrundrisse. Dies machte Decken, Wohnungstrennwände und Knotenpunkte zum potenziellen Schallschutzrisiko.
»Wir haben ein System gesucht, in dem Trennwände und Decken entkoppelt sind, ohne dass die Brettsperrholzdecken Fugen aufweisen müssen, denn so lassen sich Trennwände später auch versetzen«, erklärt Markus Pendlmayr. Um die Schallübertragungen genau zu messen, wurde vom Generalunternehmer Weissenseer Holz-System-Bau eigens ein Mockup an der TU Graz erbaut.
Der Laborversuch war erfolgreich. Als ausschlaggebend erwiesen sich dabei vor allem die Stärke (24 cm bei 42 cm Gesamtaufbau) und das Gewicht der Holz-Beton-Verbunddecke. Durch die darin enthaltenen 10 cm Aufbeton konnte auch die im reinen Holzbau erforderliche Kiesschüttung entfallen.
Somit war der Schallschutz im Inneren gemeistert – blieben noch die Laubengänge auf der einen und die Balkone auf der anderen Seite. Erstere stehen zwar selbstständig als Stahlbetonkonstruktion, sind aber für die Aussteifung an der Holzkonstruktion angehängt. Ein schallschluckender Belag mit Kies und Betonplatten sollte aus Kostengründen vermieden werden – nach langem Tüfteln fand man die Lösung für die Schallentkopplung in Stahlschienen, in denen ein Bolzen frei beweglich eingeklinkt ist. Bei den Balkonen auf der gegenüberliegenden Seite profitierte man wieder von der Solidarität der Baugruppe: Sollte sich jemand vom Lärm gestört fühlen, wird auf Kosten des Vereins ein Holzlattenrost nachgerüstet, den sich einige ohnehin aus Komfortgründen wünschen. »Die Möglichkeit, so Kosten zu sparen, sind im geförderten Wohnbau enorm wichtig«, sagt Katharina Bayer.
Glückliche Gesichter gab es bei der Fertigstellung im Sommer 2019 – nicht nur bei Bewohnerinnen und Bewohnern, sondern auch bei Planungsteam und Baufirma. Gleis 21 sei ein komplexes Sonderprojekt, dessen Erkenntnisse sich aber auch in anderen Bauten nutzen ließen, sagt Markus Pendlmayr. »Vor allem die Knotenlösung von Decken und Trennwänden hilft uns sehr, denn sie erlaubt eine Freiheit im Grundriss, die man im Holzbau sonst nicht hat, die aber heutzutage unabdingbar ist.« Auch im Bauablauf sammelte man wichtige Erfahrungen, ergänzt Katharina Bayer: »Man muss von Anfang an das richtige Team haben, erst recht, wenn man Holzbau im geförderten Wohnbau realisieren will, und noch dazu mit gemischten Nutzungen innerhalb des Hauses wie hier.« Denn diese werden in der verdichteten Stadt in Zukunft nicht weniger. Vorerst darf man sich bei Gleis 21 aber über noch mehr Aufmerksamkeit freuen: Das Projekt wurde kürzlich für den Mies van der Rohe Award der EU nominiert.