Daten zum Objekt
Standort
Winterthur-Neuhegi/CH Google Maps
Architektur
weberbrunner architekten AG, Zürich/CH, www.weberbrunner.eu
Bauherrin
Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft AG, Wallisellen/CH, www.allianz.ch (Mietwohnungen); Implenia AG, Dietlikon/CH, www.implenia.com (Eigentumswohnungen)
Planung
weberbrunner architekten AG, Zürich/CH, www.weberbrunner.eu; Soppelsa Architekten, Zürich/CH, www.soppelsa.ch
Statik
Dr. J. Grob & Partner AG, Winterthur/CH, www.gropar.ch
Statik Holz
Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich/CH, www.timbatec.com
Holzbau
Implenia Holzbau, Rümlang/CH, www.implenia.com/holzbau
Bauphysik
bakus Bauphysik & Akustik GmbH, Zürich/CH, www.bakus.ch
Fertigstellung
2018
Typologie
Eine wirklich große Wohnsiedlung in Holz
Die Wohnsiedlung sue&til entstand auf dem ehemaligen Sulzer-Areal in Oberwinterthur im Kanton Zürich, einer Industriebrache von 1,78 Hektar Fläche. Mit einer Länge von 500 Metern fasst der mäandrierende Bau über 300 Wohnungen und großzügige Gewerbeflächen. Solche Dimensionen wurden bislang oft dem Betonbau zugeschrieben, doch bei den zwanzig aneinandergereihten fünf- bis sechsgeschossigen Gebäuden im neu entstehenden Stadtquartier Neuhegi kommt ein anderes Material zum Tragen. Das Projekt der zwei Architekturbüros weberbrunner und Soppelsa, das aus einem Wettbewerb der Implenia Development 2013 als Sieger hervorging, ist ein Holzbau auf einem Betonsockel. Diese Konstruktion half wesentlich dabei, die Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft zu erfüllen, weil der Anteil der grauen Energie gering ist.
Effizient ist die Konstruktion auch in ihrem Aufbau. Der Sockel bis zur Erdgeschossdecke ist aus Beton, die Geschosse darüber wurden aus vorgefertigten und vollumfänglich CNC-gesteuert hergestellten Holzelementen realisiert. Die Erschließungskerne sind, zum Zweck der Aussteifung, vom Untergeschoss bis zum fünften Obergeschoss durchbetoniert. Das Tragwerk besteht aus vier Achsen mit Außenwänden und Wohnungstrennwänden sowie Stützen und Unterzügen aus Brettschichtholz, wobei die Lastdurchleitung mit punktuell eingefügten Stahlprofilen erfolgt. Tragende und etappenabschnittsbildende Wände sind in Holzrahmenbauweise oder mit CLT-Platten aus Fichte/Tanne gefertigt. Die nicht tragenden Innen- und Trennwände bestehen aus Gipsständerwänden, die Decken aus 7,2 Meter weit spannenden und 2,4 Meter breiten, einfeldrigen Brettschichtholz-Elementen. Über Nut und Kamm miteinander verbunden, lagern diese auf den Außenwänden und den innen liegenden Tragachsen. Aufgenagelte OSB-Platten lassen die Decken zu statisch wirksamen Scheiben werden. Die horizontalen Lasten können so geschossweise über Stahlwinkel in die Betonkerne verankert und abgeleitet werden.
Aus dem rhythmisierten Tragraster und der reduzierten Anzahl an Wandtypen ließen sich unterschiedliche Wohnungstypen generieren, die vor allem von den roh belassenen Holzdecken geprägt sind. Der Innenraum ist sonst monochrom weiß gehalten und mit einem hellen Parkett versehen; es herrscht eine wohnliche Atmosphäre. Die Lebensqualität in einem Mehrfamilienhaus hängt allerdings auch stark von den Schallschutzwerten ab. Früher kam die Holzbauweise vorwiegend bei Einfamilienhäusern zum Einsatz. Dort störte die Schallübertragung innerhalb der Wohnung weniger und war deshalb weniger relevant bei der Auslegung der leichten Holztragkonstruktion. Der mehrgeschossige Holzbau – durch die veränderten Brandschutzregelungen in der Schweiz einem regelrechten Boom ausgesetzt – stellt neue Anforderungen an den Schallschutz. Leben mehrere Parteien im selben Gebäude, sind insbesondere in Eigentumswohnungen die Ansprüche an die Dämpfung des Trittschalls höher, weil dieser als besonders störend empfunden wird. Masse auf der Deckenkonstruktion und/oder ein schalldämmender Bodenaufbau mit einer Trittschalldämmung von möglichst kleiner Steifigkeit schafft hier Abhilfe.
Bei sue&til optimierten die Planenden die Schallwerte, indem sie die Rohbaudecken aus Holz mit einem besonderen Schichtaufbau versahen: Auf der bis zu 260 mm starken Rohmassivholzdecke befindet sich eine 8 cm starke gebundene Splittschüttung aus gebrochenen Steinkörnern mit elastischem Bindemittel, worin ein Teil der Gebäudetechnik geführt und zugänglich ist. Außerdem wurde eine Trittschalldämmung mit einer dynamischen Steifigkeit von s’= 6 MN/m3 eingesetzt. Diese Kombination reduzierte
die Steifigkeit der Konstruktion inklusive Bodenaufbau um ein Drittel, was den Trittschallpegel speziell im tieffrequenten Bereich unterhalb von 100 Hz positiv beeinflusst. Man ließ die Leichtbaudecken mit unterschiedlichen Schichtaufbauten an der Eidgenössischen Material- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf vorab bezüglich ihrer akustischen Eigenschaften prüfen und danach die Laborwerte auf der Baustelle mit einem zweigeschossigen Mock-up bestätigen. Dabei wurden auch unterschiedliche Schichtstärken des Splitts analysiert, denn schon eine Reduktion um nur 1 cm hat bei Bauvorhaben dieser Größe markante Auswirkungen auf die Kosten. Sowohl die Laborprüfungen bei der Empa als auch die Messungen am Bau ergaben für diese Trockenbauweise mit einer grundsätzlich standardisierten Lösung für die Decken- und Terrassenaufbauten Schalldämmwerte von Ln,w= 49 bzw. 42 bis 47 dB. Die erhöhte Anforderung gemäß SIA 181 (2006) von einem Norm-Trittschallpegel von L‘= 50 dB wurde mit dem für die Terrassen gewählten Aufbau, bestehend aus 40 mm Betonsteingehwegplatten und 50 mm Splitt, sogar übertroffen.
Um die Flankenübertragung bestmöglich zu unterdrücken, setzten die Planenden vor allem auf hochschalldämmende Vorsatzschalen. So wurden bei den Außenwänden eine innen liegende und bei den tragenden Innenwänden auf beiden Seiten eine selbststehende Vorsatzschale eingesetzt. Nicht tragende Innenwände wurden als zweischalige Konstruktion in Holzrahmenbau oder in Gipsleichtbau erstellt. Wären bei den Messungen im errichteten Gebäude aufgrund der Schallübertragung über Nebenwege die geforderten Schallwerte nicht erreicht worden, hätte man mit abgehängten Decken nachgerüstet. Dies war aber nicht der Fall, und so konnte die Untersicht der Raumdecken in unbehandeltem Holz sichtbar belassen bleiben – einer der wenigen Hinweise darauf, dass es sich bei diesem Bauwerk tatsächlich um einen Holzbau handelt. Abgesehen davon ist die Materialität der Konstruktion weder an der Fassade mit den eloxierten Aluminiumblechen noch an der Akustik im Innenraum ablesbar. Man darf sich aber daran gewöhnen, dass sich – so wie hier – die Vorteile der atmosphärischen Raumwirkung und der ökologischen Aspekte von Holz ohne schallspezifische Nachteile entfalten können. Wegen der neu zertifizierten Holzbauteile wird dies auch in künftigen Bauten möglich sein.