Daten zum Objekt
Standort
Wien/AT Google Maps
Bauherr:in
Baugruppe Radetzkystraße, Wien/AT
Architektur
PPAG architects zt gmbh, Wien/AT, www.ppag.at
Holzbau
A&H Bau GmbH, Wien/AT
Bauphysik
Bauklimatik GmbH, Linz/A, www.bauklimatik.at
Dachfläche
189 m2 nicht begehbar, 212 m2 begehbar
Fertigstellung
2012
Typologie
Warmdach mit Zwischensparrendämmung und Zusatzdämmung, bekiest
Wer ein Flachdach aus Holz bauen will, dem bieten sich gleich mehrere Möglichkeiten. Es gibt Warmdächer mit Dämmung zwischen den Sparren, es gibt Dächer mit Dämmung über der Tragkonstruktion und es gibt Kaltdächer mit Hinterlüftung. Jede dieser Dachkonstruktionen hat andere Vorteile in Bezug auf Sicherheit, Aufbauhöhe oder Preis.
Welches Dach ist also das richtige? Diese Frage stellte man sich auch bei einem kürzlich fertiggestellten Dachaufbau eines Gründerzeithauses in der Wiener Radetzkystraße. »Es ist uns fremd, einfach nur das Baurecht abzubilden – das führt unvermeidlich zum Steildach und Gaupen«, erklärt Georg Poduschka vom Architekturbüro ppag den eigenwilligen Entwurf. Unter geschickter Ausnutzung aller Regeln der Wiener Bauordnung haben die Architekten eine freie Komposition kubischer Körper auf den Bestand gesetzt – ein Dorf über den Dächern Wiens sozusagen, ganz auf die Bedürfnisse seiner Bewohner zugeschnitten.
»Wir stricken unsere Entwürfe«, erzählt Poduschka vom Entwurfsprozess mit den vier privaten Bauherren, »wir diskutieren den Projektstand immer wieder mit den Nutzern, und lassen die Ergebnisse in den Entwurf einfließen.« Resultat dieser ergebnisoffenen Herangehensweise sind spannende räumliche Abfolgen im Inneren der Wohnungen sowie eine Vielzahl von Terrassen im Außenbereich.
Aufgrund der bei Wiener Dachaufbauten erforderlichen Leichtbauweise lag Holz als konstruktiver Baustoff auf der Hand, und die Wahl des richtigen Daches fiel wegen der zahlreichen Terrassen schnell auf das nicht hinterlüftete Flachdach mit Zwischensparrendämmung und zusätzlicher Gefälledämmung über der Konstruktion. Diese Flachdachkonstruktion kann ohne Gefälle der Konstruktion errichtet werden, sie ist günstig und einfach in der Herstellung und besitzt eine geringe Aufbauhöhe. Riskant hingegen ist, dass die Holzkonstruktion in der Dämmebene liegt und zwischen Dampfbremse und Dachhaut zu liegen kommt. Aus diesem Grund kann sie durch dort eindringende Feuchtigkeit Schaden nehmen. Feuchtigkeit, die in den Bauteil gelangt, muss daher entweichen können, sonst wird die Konstruktion am Ende morsch.
Um diese Anforderung zu erfüllen, wurde beim Dachaufbau in der Radetzkystraße raumseitig eine feuchteadaptive Dampfbremse mit variablem sd-Wert von 0,2 bis 5 Metern aufgebracht. Abhängig von Luftfeuchte und Lufttemperatur verändert diese Membran ihren Dampfwiderstand also um das bis zu 25-fache. Im Winter wird das Eindringen von Raumluftfeuchte in den Dachaufbau verhindert, im Sommer kann im Dach liegende Feuchtigkeit zur Raumseite hin ausdiffundieren.
Wesentliche Voraussetzung für diese Rücktrocknung ist allerdings die Erwärmung des Daches durch Sonneneinstrahlung. Die Dachhaut sollte daher weder bedeckt noch verschattet sein – Voraussetzungen, die sich in der Radetzkystraße nur bedingt erfüllen ließen, da sich die Dächer aufgrund ihrer komplexen Geometrie gegenseitig verschatten. Außerdem musste die Dachhaut mit einer Kiesschicht als Brandschutz bedeckt werden, und Teile der Dächer sind mit Terrassenbelägen oder Solarpaneelen bedeckt. »Im Normalfall wird es im Sommer auf dem Dach aber so heiß, dass die nötige Temperatur für die Rücktrocknung auch bei Terrassenbelägen oder einer geringen Kiesbedeckung erreicht wird«, relativiert Bauphysiker Ernst Kainmüller vom Büro Bauklimatik. Überhaupt würde Feuchtigkeit weniger durch den Nutzer als durch den Feuchtegehalt der Baustoffe selbst ins Dach gelangen, ein Risiko, das im konkreten Fall aufgrund der Trockenbauweise als minimal angesehen werden konnte. Auch Feuchteeintritt während der Bauzeit könne durch regelmäßige Feuchtigkeitsmessungen des Daches auf der Baustelle erkannt und entsprechend behandelt werden. »Beim Bauen hat man eigentlich immer Feuchtigkeit im Dach«, schließt Kainmüller, »ob wir die Feuchtigkeit in das Dach einsperren oder nicht, das entscheidet über Niederlage oder Sieg.«