Der Schutz vor unerwünschtem Schall ist eine der am häufigsten genannten Eigenschaften, die im Wohnbau von den Nutzerinnen und Nutzern gewünscht, erwartet und bei Mängeln reklamiert werden. Als »hellhörig« bezeichnete Wohnungen, bei denen man die Nachbarinnen und Nachbarn deutlich bei ihren Aktivitäten wahrnehmen kann oder beim Gehen dumpfe Geräusche übertragen werden, stellen nicht nur ein Ärgernis oder Potenzial für soziale Konflikte dar, sondern können auch gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen.
Lärm weist oft subjektive Komponenten auf, so kann spezifische Musik für den einen ein Genuss sein (und trotzdem vielleicht aufgrund des hohen Hörpegels gesundheitsschädlich) und für einen anderen nervender Krach, der Stress erzeugt, unabhängig von der tatsächlichen Lautstärke. Denn auch bereits relativ niedrige Lärmpegel führen zu Problemen bei konzentrierter Arbeit und chronische Lärmbelästigung steht in Zusammenhang mit Stress und einem kontinuierlich steigenden Herzinfarktrisiko.1 Auch die Nachtruhe ist nicht unwesentlich: Im Schlaf haben bereits kurze Pegelerhöhungen um 10 dB eine Weckwirkung – und bei gestörtem Schlaf wiederum zeigen sich Auswirkungen auf das Immunsystem, weil Schlafmangel eine negative Wirkung auf wichtige Genesungs- und Heilungsprozesse hat.
Die Statistik Austria weist in ihrem Bericht »Wohnen 2018«2 Lärm als relevanteste Belastung in der Wohnumgebung mit insgesamt 18 Prozent Nennungen aus, Lärm in der Wohnumgebung betrifft damit mehr als 1,5 Millionen Menschen in Österreich. Bei den Ursachen3 nimmt Lärm aus Nachbarwohnungen mit nahezu einem Viertel der Nennungen neben Lärm durch Verkehr oder Baustellen einen Spitzenplatz ein. In einer Studie der WHO werden die in Europa vorhandenen Lärmstörungen in »verlorene gesunde Jahre« umgelegt: Die Gesamtzahl liegt dabei bei mehr als 1 Million verlorener gesunder Lebensjahre pro Jahr.4 Entsprechend hoch sind auch die damit verbundenen Kosten.
Lärm als unerwünschter Schall stellt somit kein Luxusproblem dar, vielmehr soll die Einhaltung der in den Baugesetzen festgelegten Mindestanforderungen an den Schallschutz die Voraussetzung schaffen, für normalempfindende Menschen einen ausreichenden Schutz vor Schallimmissionen aus gesundheitlicher Sicht zu erreichen. Mindestschallschutz bedeutet nicht, dass dadurch keine Geräusche aus anderen Nutzungseinheiten oder von außen mehr wahrgenommen werden können. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Anforderungen an Wohngebäude gegeben werden.
Mindestanforderungen im Überblick
Bauen ist in Österreich Ländersache. Die gesetzlichen Mindestanforderungen an den Schallschutz sind in den Landesbauordnungen geregelt, die auf unterschiedlichen Versionen der OIB-Richtlinie 5 Schallschutz aus den Jahren 2011, 2015 und 2019 basieren. Somit sind die gesetzlichen Mindestanforderungen in den Bundesländern zwar harmonisiert, aber auf unterschiedlichem zeitlichen Stand. Im Europäischen Wirtschaftsraum sind das In-Verkehr-Bringen der Bauprodukte und die Bemessung von Bauwerken nach den Eurocodes weitgehend harmonisiert. Bauspezifische Anforderungen, auch solche an den Schallschutz, sind hingegen Sache der Mitgliedstaaten. Hier resultieren aus den unterschiedlichen (Bau-)Kulturen und Siedlungsstrukturen auch deutlich unterschiedliche Anforderungen.5
Die Mindestanforderungen in Österreich an die Luftschalldämmung liegen im europäischen Spitzenfeld. Beim Trittschall haben die meisten Länder deutlich geringere Mindestanforderungen. Den Vergleich erschweren jedoch die unterschiedlichen Definitionen der Kenngrößen (siehe Tabelle). R’w ist eine Anforderung an das Bau-Schalldämm-Maß des Trennbauteils, die Schallpegeldifferenz D oder DnT,w beschreibt die Differenz des Schallpegels zwischen zwei Räumen. Der Unterschied beim geforderten Trittschallschutz für Wohnungstrenndecken führt im Empfangsraum zu »hörbaren« normalen Gehgeräuschen in Deutschland und zu »schwach hörbaren« in Österreich. Die im Holzbau wichtigen Spektrum-Anpassungswerte für niedrige Frequenzen, insbesondere für Trittschall, wurden in der Fachliteratur bereits viel diskutiert und werden zunehmend in Normen berücksichtigt.
Für die mindesterforderliche Schalldämmung von Außenbauteilen für Wohngebäude beträgt das geforderte Schalldämm-Maß Rw von Gebäudetrennwänden an Nachbargrundstücksgrenzen bzw. Bauplatzgrenzen 48 dB (je Wand), für Decken und Wände gegen Durchfahrten werden 60 dB gefordert. Für alle übrigen Außenbauteile hängt die geforderte Mindestschalldämmung vom maßgeblichen Außenlärmpegel für das jeweilige Bauteil ab. Dabei unterscheidet man zwischen den »opaken« Außenbauteilen und Fenstern bzw. Außentüren. Für Fenster und Außentüren ist darüber hinaus zu beachten, dass die Schalldämmung auch für das städtische Verkehrslärmspektrum ausreichend sein muss. Dies wird über den Spektrum-Anpassungswert Ctr berücksichtigt, indem das geforderte Schalldämm-Maß bei Berücksichtigung des Ctr um maximal 5 dB unterschritten werden darf.
Bei haustechnischen Anlagen darf der aus anderen Nutzungseinheiten entstehende maximale Anlagengeräuschpegel LAFmax,nT in Aufenthaltsräumen bei gleichbleibenden und intermittierenden Geräuschen einen Wert von 25 dB, bei kurzzeitigen Geräuschen den Wert von 30 dB nicht überschreiten. Ist in Schlaf- und Wohnräumen eine lufthygienisch erforderliche Lüftung eingebaut, darf diese einen äquivalenten Anlagengeräuschpegel von 25 dB im betroffenen Raum nicht überschreiten.
Die für die oben angeführten Anforderungen verwendeten Beschreibungsgrößen stammen ursprünglich aus dem Konstruktionsbereich von Vollziegelwänden und Stahlbetondecken aus den 1950er Jahren. Sie wurden aus Sicht eines für unsere Erwartungen heute eher geringen Schallschutzniveaus entwickelt und den steigenden Anforderungen zahlenmäßig angepasst. In vielen Fällen ergibt sich für verschiedene heute eingesetzte Bauweisen eine abweichende Charakteristik der Schalldämmung über den Frequenzverlauf. Dadurch kann es, bei sonst gleicher Einzahlangabe, zu einer abweichenden subjektiven Bewertung der Schalldämmung von Konstruktionen kommen. Daher ist es von Vorteil, auch Daten zur Schalldämmung einer Konstruktion über den Frequenzverlauf im Planungsprozess zur Verfügung zu haben, denn nur dann wird eine spezifische Optimierung der Bauteilauswahl über die Einzahlangabe hinaus möglich. Entsprechende Daten werden künftig vermehrt z. B. in die frei zugängliche Datenbank dataholz.eu Eingang finden, um so die für eine spezifische Planungsaufgabe schalltechnisch günstigsten Konstruktionen einfacher auswählen und an spezifische schalltechnische Belastungen anpassen zu können. Damit wird eine weitere Möglichkeit eröffnet, über den Mindestschallschutz hinaus spezifisch optimierte Bauteile im Holzbau der Zukunft einzusetzen.
Die Norm von morgen
In Österreich werden drei Teile der ÖNORM B 8115 Schallschutz derzeit überarbeitet und voraussichtlich bis Ende 2021 fertiggestellt. Teil 2 beschreibt eine Methodik zur Bemessung des Schallschutzes über die Mindestanforderungen hinaus auch für andere Schallschutzniveaus. Dabei kann das Schutzziel je nach Raumnutzung und Empfindlichkeitsniveau im Empfangsraum festgelegt werden. Basierend auf dem Umgebungslärm bzw. dem emittierenden Raum können die dafür erforderlichen Leistungen von Bauteilen bzw. Baukonstruktionen festgelegt werden. Spezifische Anpassungen erlauben es, beispielsweise den relativen Trittleistungspegel fürs Tanzen mit einem Zuschlag von 10 dB zu berücksichtigen. Dabei kann auch der Spektrum-Anpassungswert für den Trittschall CI,50–2500 berücksichtigt werden.
Um die Vorgabe für einen erhöhten Schallschutz für Auftraggeber und Planer zu vereinfachen und Konstruktionen bezüglich des Schallschutzes einstufen zu können, werden in Teil 5 die Klassen A bis E für den Schallschutz angegeben. Die Klasse C gibt die gesetzlichen Mindestanforderungen wieder. Auch das subjektive Empfinden, das sich bei verschiedenen Schallquellen vom leisen Sprechen bis hin zum Trompetenspiel einstellt, wird sowohl quantitativ in dB als auch verbal beschrieben. Ähnlich dem Wärmeschutzausweis können die Ergebnisse durch einen Schallschutzausweis ausgewiesen werden. Teil 4 wird die Methoden zur Berechnung des Schallschutzes von Baukonstruktionen für die verschiedenen Materialien beinhalten. Der bisher enthaltene Bauteilkatalog wird derzeit aktualisiert und soll als separater Teil neu herausgegeben werden.
1 Statistik Austria: Umweltbedingungen, Umweltverhalten 2019, www.statistik.at, abgerufen 2020.
2 Statistik Austria: Wohnen 2018, www.statistik.at, abgerufen 2020.
3 Statistik Austria: Umweltbedingungen, Umweltverhalten 2019, www.statistik.at, abgerufen 2020.
4 WHO (Hg.): Burden of disease from environmental noise. Quantification of healthy life years lost in Europe, 2011.
5 Clarke et al.: Building acoustics throughout Europe Volume 1: Towards a common framework in building acoustics throughout Europe. cost Action tu0901: Integrating and Harmonizing Sound Insulation Aspects in Sustainable Urban Housing Constructions 2014, S. 39 ff.