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Bauakustische Grundlagen
einfach erklärt

erschienen in
Zuschnitt 80 Schallschutz, März 2021

Prinzipiell wird in der gebäudebezogenen Akustik zwischen Raumakustik – sie beleuchtet das akustische Verhalten eines Raumes – und Bauakustik – sie behandelt die Schallübertragung durch Bauteile hindurch – unterschieden. Im vorliegenden Heft liegt der Fokus auf der Bauakustik. Zum besseren Verständnis der Thematik werden nachfolgend die dafür grundlegenden Begriffe und Gesetzmäßigkeiten erläutert.

Arten und Wege des Schalls

In der Bauakustik wird zwischen Luftschall, Körperschall und Trittschall unterschieden, wobei der Trittschall eine spezielle Art des Körperschalls darstellt. Luftschall entsteht durch eine Schallquelle (z. B. einen sprechenden Menschen), die Schallenergie an die Luft abstrahlt, wodurch ein Bauteil in Schwingung versetzt werden kann. Je nach Bauteilausführung erzeugt das Bauteil dann, ähnlich einer Lautsprechermembran, wiederum Luftschall z. B. auf der gegenüberliegenden Seite. Es kommt zur Schallübertragung. Beim Trittschall wird das Bauteil nicht durch Luftschall in Schwingung versetzt, sondern durch eine direkte mechanische Anregung (z. B. durch springende Kinder). Hierdurch kann deutlich mehr Energie in das Bauteil gelangen als bei einer Luftschallanregung, und diese wird dann z. B. auf der gegenüberliegenden Seite wieder abgestrahlt. Eine kritische Eigenschaft des Körperschalls ist, dass dieser über weite Strecken in der Struktur des Gebäudes weitergeleitet werden kann. Wie weit, hängt von den eingesetzten Baustoffen und Entkopplungsmaßnahmen ab.

Der Schallschutz in einem Raum wird somit nicht nur durch die Schalldämmung des Trennbauteils an sich bestimmt, sondern auch durch die Schallenergie, die über Nebenwege in den Raum gelangt. Zur Unterdrückung dieser sogenannten Flankenübertragung können z. B. elastische Entkopplungslager oder Vorsatzschalen sehr effizient eingesetzt werden. Vor allem bei einer Holzmassivbauweise mit Sichtoberflächen muss auf die unterdrückte Flankenübertragung geachtet werden. Prinzipiell gilt: Je höher der angestrebte Schallschutz, desto wichtiger ist die Unterdrückung der Flankenübertragung.

Das Prinzip des Schallschutzes im Holzbau

Aus konstruktiv-akustischer Sicht wird zwischen einschaligen und mehrschaligen Bauteilen unterschieden. Einschalige Bauteile haben einen kompakten, häufig monolithischen Aufbau ohne weiche Zwischenschichten wie Luft oder Dämmstoff. Beispiele hierfür sind Betonwände oder Brettsperrholz-Wände ohne Wärmedämmverbundsystem oder Vorsatzschalen. Die Schalldämmung solch einschaliger Bauteile wird hauptsächlich durch ihre Masse und Steifigkeit bestimmt. Dabei wird mit höherer Masse im Allgemeinen eine höhere Schalldämmung erreicht. Bei leichten Bauweisen wie dem Holzbau sind einschalige Bauteile ungeeignet, um einen höheren Schallschutz zu erzielen, hier muss auf mehrschalige Systeme, wie Brettsperrholz-Wände mit Vorsatzschale, zurückgegriffen werden.

Bei zwei- bzw. mehrschaligen Bauteilen beruht die Schalldämmung auf dem »Masse-Feder-Masse«-Prinzip: Die Massen des Systems sind hier über eine Feder gekoppelt. Wird nun eine Seite z. B. über Luftschallwellen zur Schwingung angeregt, gibt sie die Schwingungen über die Feder an die andere Seite weiter, wo wiederum Schallenergie abgestrahlt wird. Die Steifigkeit der Feder und die Massen und Steifigkeiten der Beplankungen bestimmen dabei die Charakteristik der Schallübertragung.

"Masse-Feder-Masse"-Prinzip

Einfluss der Frequenz

Wichtig zu wissen ist, dass mehrschalige Systeme eine Frequenz besitzen, bei der beide Massen gegenläufig, d. h. mit maximaler bzw. minimaler Auslenkung zueinander schwingen. Bei dieser sogenannten Resonanzfrequenz wird sehr viel Energie übertragen, wodurch die Schalldämmung einbricht. Die Resonanzfrequenz sollte bei der bauakustischen Planung von Bauteilen stets berücksichtigt werden. Prinzipiell sind große Massen und weiche Federn anzustreben, um den Resonanzeinbruch möglichst in Frequenzen unterhalb von 100 Hz zu verschieben.

Die von Bauteilen abgestrahlte Schallenergie erreicht unser Trommelfell in Form von verschieden schnell schwingenden Luftschallwellen, die unser Gehirn dann in Töne mit unterschiedlichen Frequenzen (Tonhöhen) übersetzt. Bauteile funktionieren dabei wie Filter, die bestimmte Frequenzen unterschiedlich stark »herausfiltern« bzw. weiterleiten. Die Schalldämmung eines Bauteils ist somit »frequenzabhängig« und nicht bei jeder Frequenz gleich. Daher kann bei jedem betrachteten Frequenzband (in der Bauakustik werden in der Regel 21 Terzbänder betrachtet) die Schalldämmung des Bauteils unterschiedlich sein. Dies macht einen einfachen Vergleich von Bauteilen und die Definition von Anforderungen schwierig. Zur Vereinfachung wurden deshalb Einzahlkennwerte eingeführt, welche die Schalldämmung des Bauteils mit nur einer Zahl beschreiben. Der Frequenzbereich, in dem die standardmäßig verwendeten Einzahlkennwerte festgelegt werden, wird als »bewerteter Frequenzbereich« bezeichnet und umfasst 16 Terzbänder zwischen 100 Hz und 3.150 Hz. Der Hörbereich des Menschen umfasst jedoch einen wesentlich weiteren Frequenzbereich, nämlich von etwa 16 Hz bis 16.000 Hz. Der bewertete Frequenzbereich umfasst somit nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Hörbereichs, viele Frequenzbereiche bleiben unberücksichtigt. Es hat sich deshalb gezeigt, dass GebäudenutzerInnen sich durch Nachbar- oder Verkehrsgeräusche etc. gestört fühlen können, obwohl das Bauteil einen relativ gut bewerteten Einzahlkennwert aufweist. Vor allem die fehlende Berücksichtigung von Frequenzen unter 100 Hz ist hierfür verantwortlich. Wird die Schalldämmung des Bauteils bereits ab 50 Hz und das Frequenzspektrum der Schallquelle – städtischer Verkehrslärm weist z. B. einen erhöhten tieffrequenten Anteil auf – mitberücksichtigt, verbessert sich die Korrelation zwischen subjektiv empfundener Schalldämmung des Bauteils und objektiver Beschreibung durch einen Einzahlkennwert erheblich. Hierfür werden der »erweiterte Frequenzbereich« und die Spektrum-Anpassungswerte verwendet.

Arten von Schall und Wege der Schallübertragung

Folgende wesentlichen Einzahlkennwerte und Spektrum-Anpassungswerte werden in der Bauakustik verwendet:

Außenbauteile

Rw (Labormesswert, d. h. ohne Flankeneinfluss), R’w (In-situ-Messwert, d. h. mit Flankeneinfluss)
Das bewertete Schalldämm-Maß (Rw) bzw. bewertete Bau-Schalldämm-Maß (R’w) beschreibt die Luftschalldämmung eines Bauteils im Labor bzw. eines Außenbauteils in situ (auch für Bauteile gegen nicht ausgebaute Dachräume inkl. Nebenwegeinfluss).

R’res,w (In-situ-Messwert) Das bewertete resultierende Bau-Schalldämm-Maß beschreibt die Luftschalldämmung eines zusammengesetzten Außenbauteils in situ (z. B. Außenwand mit Fenstern und Türen inkl. Nebenwegeinfluss).

Innerhalb eines Gebäudes

DnT,w (In-situ-Messwert) Die bewertete Standard-Schallpegeldifferenz beschreibt die Luftschalldämmung eines Bauteils zwischen zwei Räumen im Gebäude inkl. Nebenwegeinfluss. Der Kennwert gibt an, wie stark der Schall gedämmt wird. Daher gilt: Je höher der Wert, umso besser die Schalldämmung.

Ln,w (Labormesswert), L’nT,w (In-situ-Messwert)
Der bewertete Norm-Trittschallpegel (Ln,w) und der bewertete Standard-Trittschallpegel (L’nT,w) beschreiben die Trittschalldämmung einer Decke im Labor bzw. in situ (inkl. Nebenwegeinfluss). Dieser Kennwert beschreibt einen Pegel, das heißt: Je kleiner der Wert, desto besser.

Haustechnische Anlagen

LAF,max,nT Der Anlagengeräuschpegel beschreibt jene Geräusche, die durch den Betrieb von haustechnischen Anlagen aus anderen Nutzungseinheiten entstehen.

Spektrum-Anpassungswerte

Aktuell haben die Spektrum-Anpassungswerte informativen Charakter – gesetzlich gefordert (d. h. gemäß OIB-Richtlinie 5) wird die Berücksichtigung bisher lediglich für Fenster und Außentüren. Dazu werden die Anpassungswerte zu den bewerteten Einzahlkennwerten hinzuaddiert und der Summenwert wird zur Beurteilung des Bauteils verwendet. Zur Erhöhung der Zufriedenheit von Nutzerinnen und Nutzern sollten die Spektrum-Anpassungswerte bei der Planung jedoch generell in Betracht gezogen werden, vor allem jene ab 50 Hz.

C (100 Hz – 3.150 Hz), C50 – 5000 (50 Hz – 5.000 Hz) Spektrum-Anpassungswert für die Luftschalldämmung zur Berücksichtigung von
_ Wohnaktivitäten (Unterhaltung, Musik, Radio, TV),
_ spielenden Kindern,
_ Schienenverkehr (mittlere bis hohe Geschwindigkeit)
_ Autobahnverkehr > 80 km/h,
_ Düsenflugzeugen in geringem Abstand,
_ Betrieben, die überwiegend mittel- und hochfrequente Geräusche abstrahlen.

Ctr (100 Hz – 3.150 Hz), Ctr,50 – 5000 (50 Hz – 5.000 Hz) Spektrum-Anpassungswert für die Luftschalldämmung zur Berücksichtigung von stark tieffrequenten Geräuschen wie
_ städtischem Straßenverkehr,
_ Schienenverkehr bei geringer Geschwindigkeit,
_ Propellerflugzeug,
_ Düsenflugzeug in großem Abstand,
_ Discomusik,
_ Betrieben, die überwiegend nieder- und mittelfrequente Geräusche abstrahlen.

CI (100 Hz – 2.500 Hz), CI,50 – 2500 (50 Hz – 2.500 Hz) Spektrum-Anpassungswert für Trittschallpegel zur Berücksichtigung typischer Gehgeräusche.

Ausgewählte Frequenzbereiche in der Bauakustik


verfasst von

Bernd Nusser

ist Leiter des Fachbereichs Bauphysik der Holzforschung Austria.

Erschienen in

Zuschnitt 80
Schallschutz

Holz steht für ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen. Dadurch wird es auch im mehrgeschossigen Wohnbau zunehmend attraktiver. Wo viele wohnen, ist es mitunter laut. Für einen guten Schallschutz im Zusammenleben vieler kommt es im Holzbau vor allem auf die Schichten an.

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Zuschnitt 80 - Schallschutz

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