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Zuschnitt 45
Holz Beton Verbund


Nicht nur nebeneinander, auch miteinander sind Holz und Beton starke Partner. Im schubfesten Verbund – ob bei der Sanierung von Balkendecken, dem Bau von Brücken oder als Verbunddecke im mehrgeschossigen Hochbau – können sie Großartiges leisten.

 

Format A4
Seiten 32
Ausgabe März 2012
Einzelpreis 8,00 €

Editorial

»Holz und Beton« haben wir uns diesmal zum Thema gesetzt. In unserer Vorstellung hat in dieser Partnerschaft jedes Material seinen angestammten Platz: Beton unten, Holz oben oder Beton als Tragstruktur und Holz als Fassade. Was aber ist, wenn man das umdreht – wenn plötzlich das Holz den Beton trägt? Dann kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Die Architekten Köberl, Angonese und Boday haben beim Bau des kleinen Verkaufspavillons am Weingut Manincor einen solchen vollzogen. Hier tragen Holz-stützen das Betondach. Nicht von ungefähr erzählen sie, dass der Pavillon so zu einem »extrem komplexen tektonischen Thema [wurde], an dem sich [die] Ingenieure fast die Zähne ausgebissen hätten«.

Auch beim Holz-Beton-Verbund, auf den wir uns in diesem Zuschnitt konzentrieren wollen, verlässt man in gewisser Weise das gewohnte Fahrwasser und vollzieht einen Paradigmenwechsel. Holz und Beton stehen für zwei Kulturen, das eine Material ist trocken und wird in der Verarbeitung geschnitten, das andere ist nass und wird geschüttet. Kein Wunder also, dass es hier große Berührungsängste gibt, ob zwischen den Gewerken, bei den Architekten oder den Ingenieuren. In diesem Zuschnitt wollen wir ihnen nun die Vor- und Nachteile dieser hybriden Bauweise vorstellen. Im Verbund übernehmen Holz und Beton als Decken, Wände oder Dächer gemeinsam tragende und abschließende Funktionen.

Die bevorzugten Anwendungsgebiete der Holz-Beton-Verbundbauweise liegen in der Sanierung von Balkendecken, im Brückenbau und im Hochbau. Vor allem, wenn es um den Bau von mehrgeschossigen Wohn- und Gewerbebauten in Holzbauweise geht – mit ihren hohen Anforderungen an den Schall- und Brandschutz bei gleichzeitig stützenfreien Grundrissen –, werden heute vermehrt Holz-Beton-Verbunddecken eingesetzt.

Wann immer wir im Vorfeld von dem geplanten Fokus auf Holz-Beton-Verbund erzählten, konnten wir mit überraschten Gesichtern rechnen. Sicher gibt es die Eingeweihten, die um die Vor- und Nachteile dieser Bauweise wissen. Aber viele fragten auch erstaunt: »Warum bitte soll man auf ein trockenes Holz einen nassen Beton geben und damit die Vorteile des Holzbaus, der trockenen Bauweise und des hohen Vorfertigungsgrades zunichte machen?« Ein anderes Gegenargument war: »Warum sollte man zusätzliches Gewicht aufbringen, der Holzbau kann das auch alleine – vom Schallschutz bis hin zum Brandschutz.« Sicher kann die Holzdecke die Anforderungen alleine erfüllen. Die Betondecke kann dies aber auch.

Doch schaut man genauer hin, gibt es viele Gründe, die für eine Holz-Beton-Verbunddecke sprechen. Allein vor dem Hintergrund der Ressourcenverknappung und der Ökologie-Debatte ergibt es Sinn, Baustoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften miteinander zu kombinieren. Das Holz ist dabei nicht nur der ökologischere Baustoff der beiden, es ist auch der, der ein atmosphärisches Plus mit sich bringt. Bei einer Holz-Beton-Verbunddecke übernimmt das Holz die Zugkräfte und der Beton die Druckkräfte. Das führt dazu, dass der Beton weniger Bewehrung braucht, dass man im Vergleich zu einer reinen Holzdecke mit einer geringeren Konstruktionshöhe auskommt und die Anforderungen an den Schallschutz und den Brandschutz leichter erfüllen kann. Zur Gebäudestabilisierung erleichtert die Betonschicht zudem das Ausbilden von horizontalen Deckenscheiben und bildet während der Bauzeit eine wasserdichte Schicht für die darunterliegende Holzkonstruktion. Die Kombination führt zu Gewichtseinsparungen gegenüber einer reinen Betondecke und bewirkt einen Mehrwert durch sichtbare Holzdeckenuntersichten, die je nach Ausgestaltung auch zu einer Verbesserung der Raumakustik führen. 

Vorfertigung und Schnelligkeit wie beim Holzbau können je nach gewähltem Vorfertigungsgrad trotzdem gegeben sein. Nicht zu vergessen ist die vertrauensbildende Funktion, die der Beton in Bezug auf den Brandschutz einbringt. Der erste Siebengeschosser aus Holz der Architekten-Kaden Klingbeil in Berlin wäre zum Beispiel ohne die Holz-Beton-Verbunddecken nie genehmigt worden.

Kein Zufall also, dass gerade beim mehrgeschossigen Bauen Holz-Beton-Verbunddecken eingesetzt werden, so auch beim Wohnbau in der Wagramer Straße, dem ersten Siebengeschosser aus Holz in Wien. Dieser wächst gerade in die Höhe und mit ihm hoffentlich die Akzeptanz in den Städten, vermehrt mit Holz zu bauen.

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