Daten zum Objekt
Standort
Kaltern/IT Google Maps
Bauherr:in
Michael Graf Goëss-Enzenberg, Kaltern/IT, www.manincor.com
Architektur
Walter Angonese, Kaltern/IT, www.angonesewalter.itRainer Köberl, Innsbruck/AT, www.rainerkoeberl.atSilvia Boday, Innsbruck/AT, www.silviaboday.com
Statik
Ingenieurteam Bergmeister, Neustift-Vahrn/IT, www.bergmeister.itIngo Gehrer, Höchst/AT
Holzbau
Raffeiner KG, Eppan an der Weinstraße/IT, www.raffeinerkg.it
Fertigstellung
2004
Typologie
Gespräch mit den Architekten
Was hat euch dazu geführt, beim Pavillon im Weingut Manincor das Holz als tragendes Element einzusetzen?
Rainer Köberl Der ganze »Weinkeller« wurde betoniert und eigentlich war auch der Pavillon für den Weinverkauf als betoniertes Gebäude, als eine Betonauffaltung konzipiert. Wir wollten ursprünglich bei einem Material bleiben und keinen Materialwechsel vollziehen. Den Bauherren war diese Lösung aber zu hart, sie wollten an dieser Stelle etwas »Weicheres«, nicht so Extremes. Es ging dann eine Weile hin und her, wir versuchten noch mit einigen Betonvarianten die Bauherren zu überzeugen, aber irgendwann verlangte die »Stimmungslage« zwischen uns nach einer anderen Lösung. Aber einfach nur ein hölzernes Gebäude am Eingang in den Keller zu platzieren, um damit einen Kompromiss zu formulieren, aber letztlich das grundlegende Entwurfskonzept zu brechen, schien uns nicht die richtige Antwort zu sein. So entstand recht spontan die etwas merkwürdige Idee, eine dicke Betonplatte von Eichenstehern tragen zu lassen, und wie gaben ihr den Arbeitstitel »Tempietto«. Diese Betonplatte ohne eigentliche Dachhaut war für uns die logische Weiterführung, die einzig mögliche Reaktion auf den großen »Betonriesen« unter der Erde. Dass man vom historischen Ansitz Manincor über das Dach des Tempietto hinweg auf den Kalterer See schauen kann, ließ bei den Bauherren den Wunsch aufkommen, eben nicht irgendein Flachdach zu gestalten.Ich hatte in dieser Zeit den Lebensmittelmarkt MPreis in Wenns im Pitztal fertiggestellt, bei dem man im Vorbeifahren auf ein großes Foliendach schaut. Eines Tages, nach einem Regen, erlebte ich dieses Dach nass. Schön wäre, dachte ich mir, würde man vom vorbeifließenden Bach eine Leitung hinauflegen, denn dann wäre das Dach immer eine spiegelnde Fläche in der Landschaft. Dieses Bild führte verwandelt zu der pragmatischen Lösung, die dicke Betonplatte am Tempietto als spiegelnde, ganz leicht bewegte, dauernd gespeiste Wasserfläche zu gestalten, über die die Gräfin zum See schauen kann, und damit ihre Bedenken bezüglich eines Flachdachs zu besänftigen
Walter Angonese Irgendwann kam die Idee auf, Eichenholz ins Spiel zu bringen, das auch bei den Weinfässern verwendet wird. Wie wir das Holz einsetzen wollten, wussten wir anfänglich nicht. Dann tauchte bei mir auch ein Bild aus der Erinnerung auf, und zwar von der Verwendung stehender Kanthölzer am Bau in Italien, bevor die Stahlstützen auf den Baustellen Einzug hielten. Diese beiden Bilder haben uns interessiert, wobei die Ingenieure durch diesen Paradigmenwechsel zuerst natürlich etwas irritiert waren. Unsere Holzbaufirma Raffeiner hat dann Ingo Gehrer konsultiert, der das statische Thema gelöst hat. Uns ist damals noch zugute gekommen, dass zu jener Zeit für Holzbauten in Italien kein statischer Nachweis erforderlich war, weswegen diese »schräge« Sache sicher auch möglich wurde. Übrigens tragen die Holzstützen das Dach nicht ausschließlich, denn in einem Bereich gibt es eine betonierte Wandscheibe, die für einen kleinen Wasserfall errichtet wurde. Dieser entstand, weil wir, wie Rainer schon sagte, mit dem kleinen See am Dach die Ängste der Bauherren besänftigen konnten. Später kam noch die Idee dazu, die Wand als Regal auszubilden, was dazu führte, dass das Dach im Innenraum auf den Weinregalen aufzuliegen scheint.
Wofür steht in diesem Zusammenhang der Beton und wofür das Holz?
Walter Angonese Keines der beiden Materialien steht für mich für etwas, auch ist weder das eine noch das andere wichtiger. Der Beton bestimmt materiell den Weinkeller und das Holz wurde eigentlich in der Not als neues Material ins Spiel gebracht und hatte letztlich einen Paradigmenwechsel zur Folge. Meine Projekte sind dauernd von solchen Paradigmenwechseln geprägt, denn immer, wenn ich nicht weiterkomme, fange ich an, das Konzept zu hinterfragen, ähnlich wie eigentlich Rainer auch arbeitet.
Welche Konsequenzen hatte dieser Paradigmenwechsel?
Walter Angonese Das ganze Projekt wurde durch diesen Pavillon zu einem extrem komplexen tektonischen Thema, an dem sich unsere Ingenieure fast die Zähne ausgebissen hätten und das dank Ingo Gehrer wieder zum »Schwingen« gebracht wurde. Denn die Holzstützen, die aus drei verschraubten und verspannten Eichenholzbalken bestehen, von denen zwei tragen und einer die Glasscheiben bzw. die Verblendungen hält, übernehmen fast die gesamte Last des Daches. Das Gebiet um den Kalterer See ist Gott sei Dank keine Erdbebenregion, aber bei einem Beben könnte sich, so die Berechnungen, die Konstruktion verformen.
Die Holzstützen wurden parallel zum Guss des Betondaches errichtet und mussten alle sorgfältig abgeklebt werden, damit während der Errichtung keine Schäden entstehen. Da das ganze Projekt, wie fast immer bei uns, sehr prozesshaft entstand, mussten die Sockelauflager aus Beton mit Stahlwinkeln ergänzt werden, um die 30 cm Stützen auf dem 20 cm breiten Sockel aufliegen zu lassen. Die im Holz eingelassenen Stahlschwerter ragen in die Betondecke und durchdringen die Bewehrungseisen. Eigentlich war dieser kleine Pavillon – statisch und in Bezug auf die Details – der komplexeste Bauteil von ganz Manincor.
Was habt ihr aus diesem Projekt für euren weiteren Umgang mit Holz und Beton gelernt?
Walter Angonese Irgendwann würde ich gerne wieder einen ähnlichen Ansatz verfolgen, und es freut mich, dass Florian Nagler und Konrad Merz beim Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Dachau dieses Thema aufgegriffen und weiterentwickelt haben.
Rainer Köberl Gelernt hab ich eigentlich nichts, denn alles ist immer wieder neu zu denken. Das ist leider meine Art, Architektur zu entwickeln und zu machen.
Walter Angonese
Architekt in Kaltern/IT und seit 2007 ordentlicher Professor an der Accademia di architettura in Mendrisio
www.angonesewalter.it
Rainer Köberl
Architekt in Innsbruck
www.rainerkoeberl.at