Hölzerner Westen, steinerner Osten: ein Gefälle, das in Österreichs Köpfen immer noch vorherrscht. Dabei hat sich im »mineralisch« geprägten Wien das Holz langsam, aber stetig eine Rolle in der Stadt erobert. Den Anfang machten Gespräche zwischen am Holzbau interessierten Bauträgern und den Behörden in den 1990er Jahren. Das Ergebnis: 2001 erlaubte die Techniknovelle der Wiener Bauordnung erstmals Holz in viergeschossigen Bauten. Für den Wohnbau in der Spöttlgasse tat sich der Bauträger Sozialbau mit dem holzbauerfahrenen Architekten Hubert Rieß zusammen. Einiges an Überzeugungsarbeit war bei den Behörden zu leisten, wie sich Wilhelm Zechner, stellvertretender Generaldirektor der Sozialbau, heute erinnert: »Bei der Baupolizei herrschte damals noch große Skepsis gegenüber dem Holzbau. Also haben wir sie einen Tag lang zum Pilotprojekt nach Katsch an der Mur gekarrt, ihnen die Produktion gezeigt und Vorträge gehalten von Bauphysik bis Insektenschutz. Am Schluss waren sie alle beeindruckt.« Die 2005 fertiggestellte Wohnanlage wurde schon im selben Jahr mit dem Holzbaupreis wienwood 05 ausgezeichnet.
Gesetzliche Erleichterungen
Unweit der Spöttlgasse, am Mühlweg, wurde schon 2006 das nächste hölzerne Pilotprojekt im geförderten Wohnbau errichtet. Kamen am Mühlweg noch massive Sockel zur Anwendung, folgte der erste bis aufs Stiegenhaus komplett aus Holz errichtete Bau 2010 mit Johannes Kaufmanns Holzregal in Liesing. Möglich wurde dies auch dank einer gelockerten Gesetzgebung: Novellen der Wiener Bautechnikverordnung und der OIB-Richtlinien erlaubten den Bau in Holzskelettbauweise.
Das Ergebnis eines Bauträgerwettbewerbs der Stadt Wien zum Thema »Holzbau in der Stadt«, war der mit sieben Geschossen bis dato höchste Holzbau Österreichs an der Wagramer Straße. Der Bauträger Sozialbau und die Architekten Schluder und Hagmüller hatten vor allem die Anforderungen an den Brandschutz zu erfüllen. Laut damaliger Wiener Bauordnung hatten Bauteile in Gebäuden der Bauklasse 5 lastabtragend, raumabschließend und nicht brennbar zu sein. Die vage formulierte Ausnahme »Schutzziel wird erreicht« wurde erst im Zuge des Projekts genau definiert: Auch gefährdete Stellen durften sich 90 Minuten lang nicht entzünden. Die Lösung war eine Holz-Rigips-Verbundkonstruktion, eine für den geförderten Wohnbau recht komplexe Umsetzung, wie sich Wilhelm Zechner erinnert. »Wir haben die konstruktiven Knoten eins zu eins nachgebaut und in der Brandkammer abgefackelt, um die E-90-Beständigkeit nachzuweisen.« Bei den Kosten lag man durch die Bauweise um einiges höher als beim Vorgängerbau in der Spöttlgasse.
Im Interesse der Stadt
Die Motivation, den Baustoff in die Stadt zu bringen, war und ist sowohl bei Bauträgern als auch bei der Stadt eine ganz pragmatische: »Grundsätzlich, weil Holz ein nachwachsender Baustoff ist«, sagt Wilhelm Zechner, »praktisch und wirtschaftlich, weil Holz für den Wohnbau zu vier Geschossen eine sehr gute Alternative zum Massivbau darstellt.« Ein ähnliches Urteil fällt Andreas Meinhold von der Wiener Stadtbaudirektion: »Holz ist nachhaltig, es ist ein Wohlfühlbaustoff und in einer rasant wachsenden Stadt wie Wien ideal, um schnell und qualitativ zu bauen.«
Doch nicht nur beim Wohnbau wurde der Baustoff Holz in die Stadt gebracht. Zurzeit werden in Wien Schulzubauten im Ausmaß von rund hundert Klassen pro Jahr errichtet. »Wien wächst rasant. Gerade für schnelle Erweiterungen von Schulen und Kindergärten ist Holz ein idealer Baustoff«, sagt Andreas Meinhold.
Wird der Holzbau seitens der Stadt also aktiv gefördert? Das nicht, sagt Andreas Meinhold, man sei schließlich zur Offenheit allen Baubranchen gegenüber verpflichtet. »Es gibt aber Ausschreibungen, in denen wir eine ökologische Leichtbauweise sehr exakt vorschreiben, die so nur durch Holz- oder Holzverbundbauweise umzusetzen ist.« Auch die letzten Neuerungen auf behördlicher Ebene sollten den Holzweg leichter machen: die OIB 2015 hob die Nichtbrennbarkeit bei Gebäuden mit bis zu sechs Geschossen auf.
Der Weg in die Zukunft
Bahn frei also für eine Holzoffensive im urbanen Wohnbau? Martin Teibinger von der Holzforschung Austria ist vorsichtig: »Die maximalen Baukosten in den Förderbedingungen sind nicht leicht zu erreichen. Die Möglichkeit der Vorfertigung erleichtert das zwar, aber nur, wenn der Bau von vornherein daraufhin geplant und nicht nachträglich auf Holzbau ›umgerüstet‹ wurde. Oft ist die Hülle schnell errichtet, der Zeitvorsprung geht dann aber durch einen langwierigen Innenausbau wieder verloren. Auch Wilhelm Zechner stimmt zu: »Der Kostendruck im geförderten Wohnbau ist enorm. Bis vier Geschosse ist Holz aber eine wirkliche Alternative zum Massivbau.« Generell, so Zechner, sei ein höherer Vorfertigungsgrad wünschenswert, um den Holzbau wirtschaftlicher zu machen. Noch ist also reichlich Raum für urbane Experimente in Holz vorhanden.
- 1996: Erstes Interesse von Bauträgern für Holzbau
- 1998: Studienreise zu Pilotprojekten
- 1999: KliP I – Klimaschutzprogramm für Wien – Bis 2010 sollen 2,6 Mio.T CO2/Jahr vermieden werden – Ziel 2006 erreicht.
- 2001: Brandschutzvorschriften Bauen mit Holz ist bis zu max. vier Geschossen plus Dachgeschoss möglich, bei massivem Erdgeschoss.
- 2005: wienwood 05; Fertigstellung WB Spöttlgasse
- 2006: Fertigstellung WB Mühlweg
- 2007: Brandschutzvorschriften - Erstmals Rahmenbedingungen für das Bauen mit Holz in GK 5 festgelegt.
- 2009: Bauträerwettbewerb »Holzbau in der Stadt« KliP II – Klimaschutzprogramm für Wien: Bis 2020 soll die Treibhausgasemission pro Kopf um 21 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden.
- 2010: Fertigstellung Kindergarten Schukowitzgasse
- 2013: Fertigstellung WB Wagramer Straße und Breitenfurter Straße
- 2014: Städtische Schulerweiterungen in Holzbauweise
- 2015: Brandschutzvorschriften Bauen mit Holz ist bis max. sechs Geschossen ohne Zusatzanforderungen möglich.