Unsere Städte stehen vor großen Herausforderungen. Zwar hat die Pandemie das starke Wachstum der Bevölkerung in den Städten etwas eingebremst, dennoch ist bezahlbarer Wohnraum immer noch Mangelware und es müssen auch in Zukunft sozial verträgliche Wohnungen gebaut werden. Zugleich gilt es, die Bautätigkeit klimagerecht, nachhaltig und ressourcenschonend zu gestalten.
Der Rohstoff Holz leistet dazu einen wichtigen Beitrag: Bauen mit Holz bietet aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades und der Leichtigkeit des Materials schnelle, qualitativ hochwertige Lösungen. Das Baumaterial bindet CO2 und trägt damit zum Klimaschutz bei. Und ja, der Holzbau hält Einzug in unsere Städte, sei es mit der Erweiterung von Bestandsbauten, mit Neubauten oder ganzen Quartieren. Doch ist die flächendeckende Verwendung von nach- wachsenden Rohstoffen mittel- und langfristig ausreichend im Sinne eines zukunftsweisenden Ansatzes?
Der Bausektor produziert große Abfallmengen, und viele in diesen Abfällen gebundene Rohstoffe gelangen nicht über den Lebenszyklus eines Produkts hinaus. Vor dem Hintergrund steigender Entsorgungskosten bei gleichzeitiger Ressourcenverknappung scheint dieser Weg nicht zukunftsfähig. Die Bauwirtschaft verfolgt jedoch nach wie vor einen linearen Ansatz: Material entnehmen, Rohstoffe verbauen, verbrauchen und nach der Nutzung als Abfall entsorgen. Rückbau, Recycling, Wieder- und Weiterverwertung spielen eine untergeordnete Rolle.
Nun ist der Baustoff Holz der wichtigste nachwachsende Rohstoff für die biobasierte Wirtschaft und birgt ein großes Potenzial für die fortwährende Wertschöpfung als kreislauffähiger Baustoff. Doch auch wenn der Rohstoff im Vergleich zu mineralischen Baustoffen durch seine kaskadische Nutzung länger im Stoffkreislauf bleibt, ist das große Potenzial von Holz in der Ökobilanzierung bei weitem nicht ausgeschöpft. Projekte, die den Prinzipien einer zirkulären Bauwirtschaft folgen, kommen nicht über den Status von Pilotprojekten hinaus. Wir bauen unsere Städte, ohne sie als langfristige Materiallager oder urbane Minen zu verstehen. Urban Mining, das bedeutet Rohstoffe, die in den Bauwerken verbaut und gebunden sind, wieder- oder weiterzuverwenden. Dabei werden biologische und technische Kreisläufe genutzt, Material wird dem jeweiligen Kreislauf entnommen und wieder zurückgegeben, die Materialqualität bleibt erhalten oder wird verbessert. Urban Mining impliziert auch, dass wir unsere Bauwerke durch Um- und Weiternutzung möglichst lange erhalten und (be)nutzen. Die Dauerhaftigkeit und der damit verbundene möglichst lange Erhalt eines Gebäudes haben sicherlich den größten Mehrwert hinsichtlich Müllvermeidung und Ressourcenschonung. Diese „intensivere und flexiblere und damit effizientere Nutzung“ von Gebäuden – wie es die Expertin für Kreislaufwirtschaft im Bauwesen Annette Hillebrandt treffend zusammenfasst – geht einher mit Umnutzungs- und Reparaturfreundlichkeit sowie Nachrüstbarkeit. Aktuell entsprechen das Nutzungsende und der damit einhergehende Abriss eines Gebäudes nicht unbedingt der technischen, sondern oftmals der wirtschaftlichen Lebensdauer. Zukünftig müssen wir unsere Gebäude so flexibel planen und bauen, dass sie möglichst lange bestehen bleiben – trotz wechselnder Nutzungen, sich verändernder Anforderungen und Gebrauchszyklen während der Nutzungszeit. Wir müssen uns verabschieden von dem einen Zweck und in verschiedenen, flexiblen Szenarien denken (lernen). Der Weg zu einem kreislaufgerechten Bauen, das die gebaute Umwelt als Materiallager versteht, verlangt ein Umdenken. Design for reuse: Die Integration des Rückbaugedankens und damit verbundene kreislaufgerechte Parameter müssen bereits in den Planungsprozess einfließen. Das betrifft neben materialspezifisch-konstruktiven Vorgaben auch die langfristig verfügbare Dokumentation und Nachverfolgbarkeit von Bauteilen, Verbindungen und Rückbauoptionen. Bislang sind die Rohstofflager Gebäude und Stadt weder dokumentiert noch spezifiziert. Es existieren keine Informationen über beim Rückbau freiwerdende Materialien.
Der Holzbau bietet durch seinen hohen Vorfertigungsgrad, seine elementierte Bauweise und den hohen Digitalisierungsgrad der Branche beste Voraussetzungen, Bauelemente und Bauteile im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wiederverwertbar und -verwendbar zu gestalten und die Einzelkomponenten jenseits thermischer Verwertung oder Kaskadennutzung einer kreislauffähigen Nutzung zuzuführen.
Neben der bereits genannten Nutzungsflexibilität (repurpose) und Änderungsmöglichkeit (refurbish) muss auch der Verzicht (refuse) berücksichtigt werden: Das betrifft die Möglichkeit der Schichtenreduktion und den ökonomischen Einsatz des Holzes im Sinne des ressourcenschonenden Umgangs mit den Holzvorräten. Es gilt, Konstruktionen und Aufbauten zu entwickeln, die am Ende ihres Gebrauchs möglichst zerstörungsfrei in ihre Ausgangsstoffe zerlegt werden können. Denn eine sortenreine Trennung der Materialien ist Voraussetzung für einen Stoffkreislauf und für ein hochwertiges Recycling (reuse).
Bislang gibt es keine ausgereiften, marktfähigen Konzepte für einen kreislaufgerechten Holzbau, der die gültigen baurechtlichen Vorschriften erfüllt und zugleich in der Praxis wirtschaftlich umsetzbar ist. Die Holzbaubranche kann durch innovative Konzepte eine Vorreiterrolle in der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft einnehmen, sich zukunftsorientiert aufstellen und damit einen weiteren, maßgeblichen Vorteil des Bauens mit Holz für eine klimagerechte und ressourcenschonende Bauwirtschaft aufzeigen.
Literatur
Urban Mining und kreislaufgerechtes Bauen. Die Stadt als Rohstofflager, Felix Heisel, Dirk E. Hebel (Hg.), Fraunhofer IRB Verlag, 2021
Atlas Recycling. Gebäude als Materialressource, Annette Hillebrandt et al. (Hg.), Detail Business Information GmbH, München 2018
Upcycling. Wieder- und Weiterverwertung als Gestaltungsprinzip in der Architektur, Daniel Stockhammer (Hg.), Triest Verlag, Zürich 2020