In den letzten zehn Jahren entstanden im Großraum Zürich über ein Dutzend mehrgeschossige Holzbauten. »Unser Hauptanliegen ist, preisgünstigen Wohnraum zu erstellen und gleichzeitig die endlichen Energie- und Materialressourcen zu schonen«, sagt stellvertretend Urs Frei, Präsident der Baugenossenschaft Zurlinden, die gleich drei große Holzbau-Siedlungen auf Zürcher Stadtgebiet realisiert hat. Die Bekannteren stehen an der Badenerstrasse oder im Sihlbogen und beherbergen zwischen fünfzig und 140 Wohnungen.Tatsächlich hat sich herumgesprochen, dass nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch große Wohnprojekte mit Holz energetisch und ökologisch bedeutend verbessert werden können. Doch ebenso begünstigen wirtschaftliche Gründe den Bau urbaner Holzhäuser. Einzelne Wohnbaugenossenschaften zählen Zimmerei- und andere Holzbaubetriebe zu ihren Mitgliedern, weshalb fachliches Know-how unmittelbar nutzbar ist, Innovationen selbst getestet werden können und dies der eigenen Wertschöpfung dient. Die Stadt Zürich will in 35 Jahren eine klimafreundliche »2000-Watt-Stadt« sein, daher braucht sie die Mithilfe der übrigen Wohnbauträgerschaften. »Die Vorzeigeprojekte der Baugenossenschaften setzen ein deutliches Signal gegenüber privaten Investoren«, betont André Odermatt, Zürcher Stadtrat und Vorsteher des Hochbaudepartements, und hofft auf einen starken Nachahmungseffekt.
Bonus für ökologische Bauprojekte »Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft« ist in der größten Schweizer Stadt seit rund zehn Jahren das Synonym für eine Bauweise, die den Energiefußabdruck bei Bau und Betrieb von Gebäuden so stark wie möglich reduziert. Vorschriften, wie viel graue Energie verbaut werden darf, existieren zwar nicht. Doch seit die Stadtbevölkerung einer 2000-Watt-Verfassungsklausel zugestimmt hat, erhalten ökologische Großprojekte einen Bonus, der eine höhere und dichtere Überbauung erlaubt. Zusätzlich profitieren Projekte mit dem nachwachsenden Baustoff Holz auch davon, dass die freiwillige Ökobilanzierung von Gebäuden beliebt geworden ist: In und um Zürich folgen öffentliche und gemeinnützige Bauherrschaften sowie private Rendite-Investoren diesem Trend. Inzwischen gehören Holzbauten auch in anderen Schweizer Städten zum guten Ton.
Die markantesten Neubauten werden aber weiterhin in der Limmatstadt realisiert: Unweit des Hauptbahnhofs residiert ein Medienverlag seit kurzem in einem Gebäude aus Holz und Glas mit bewusst inszeniertem Öko-Image. Und im Westquartier Altstetten realisiert die Zürcher Freilager AG das derzeit größte Holzbauprojekt der Schweiz: drei sechsgeschossige Langhäuser mit beinahe 200 Wohnungen. »Die Holzarchitektur hat einen ausdrucksstarken, ruhigen Charakter; konstruktiv lässt der Baustoff eine einfache, pragmatische Raumstruktur zu«, erläutert Architekt Rolf Mühlethaler die Vorzüge.
Zu ihnen gehören auch die »ökologischen und gesundheitlich unbedenklichen Eigenschaften« von Holz. Einen Steinwurf vom Freilager entfernt baut eine Wohnbaugenossenschaft eine Gartenstadtsiedlung mit dem nachwachsenden Baustoff um. Die Ersatzbauten verweisen auf weitere Vorteile beim Bauen mit Holz: Der hohe Vorfertigungsgrad und eine effiziente Logistik reduzieren den Platzbedarf, verkürzen das Bauprogramm und vereinfachen die Bewirtschaftung von Baustellen mitten in einer Stadt. Hansbeat Reusser, Holzbauingenieur dieser Siedlung und Präsident von Lignum Zürich, bestätigt, dass die Konkurrenzfähigkeit dadurch steigt: »Der moderne Holzbau bewegt sich preislich auf demselben Niveau wie Backstein- oder Betonbauten.«
Der Weg in die Zukunft
Die Branche hält auch bei der Ausbildung von Fachpersonal und der Qualitätssicherung mit: Die ersten Holzbauprojekte behandelte die Brandschutzbehörde als Ausnahmefälle. Danach folgten Sonderbewilligungen, basierend auf einem Vier-Augen-Prinzip: Gemeinsam mit der Behörde erarbeitete ein Holzbauingenieur die feuerpolizeilich unbedenkliche Konstruktionsvariante. Nun haben die guten Erfahrungen zum Abbau der Sicherheitsauflagen geführt. Seit Jahresbeginn sind die Brandschutzstandards für Holzbauten den übrigen Konstruktions- und Materialvarianten gleichgestellt. Hansbeat Reusser rechnet daher mit einem zusätzlichen Nachfrageschub, etwa bei Geschäfts- und Schulhäusern.
- 1994: Die Idee der 2000-Watt-Gesellschaft wird an der ETH Zürich entwickelt.
- 1998: Minergie – Das Niedrigenergielabel wird ins Leben gerufen.
- 2004: Brandschutzvorschriften (bis 2004): Bauen mit Holz ist bis max. zwei Geschosse plus Dachgeschoss erlaubt.
- 2004: Brandschutzvorschriften (2004 – 14): Bauen mit Holz ist bis max. sechs Geschosse erlaubt.
- 2008: Die Zürcher entscheiden sich per Volksabstimmung für die 2000WattGesellschaft: Umsetzung bis 2050 einschließlich dem Ausstieg aus der Atomenergie.
- 2010: Fertigstellung WB Badenerstrasse
- 2015: Brandschutzvorschriften – Bis zur Hochhausgrenze ist das Bauen mit Holz ohne Zusatzauflagen erlaubt.