Für den Entwurf, die Planung, Werkstattzeichnungen, Ausführung, Qualitätssicherung und den Betrieb mehrgeschossiger Gebäude aller Art spielt der vorbeugende Brandschutz eine wesentliche Rolle. Dies gilt weltweit gleichermaßen und unabhängig von der Wahl des dominierenden konstruktiven Werkstoffs. Holz ist allerdings im Vergleich zu Stahlbeton, Mauerwerk und Stahl der einzige Konstruktionswerkstoff, der selbst brennbar ist und somit im Falle eines Brands einen Teil der Brandlast eines Gebäudes darstellen kann. Diese Brennbarkeit des Werkstoffs trägt – zusammen mit der Erinnerung an zum Teil verheerende Stadtbrände im Mittelalter und in den großen Kriegen – bis heute zu Vorurteilen bezüglich der Brandsicherheit moderner Holzgebäude bei. Dass diese Vorurteile sachlich unbegründet sind, wird nachfolgend anhand einer Reihe typischer Fragestellungen dargelegt.
Brandentstehungsrisiko in Holzgebäuden
Das Brandentstehungsrisiko ist grundsätzlich unabhängig von den Konstruktionswerkstoffen. Denn das Risiko einer Brandentstehung geht nicht vom Konstruktionsmaterial eines Gebäudes aus, sondern von den technischen Installationen und im Wesentlichen von menschlichem Fehlverhalten. Hier sind beispielsweise der implodierende alte Röhrenfernseher, der vergessene Milchtopf auf dem Herd oder die unsachgemäße Elektroinstallation neben den häufig vorkommenden Brandursachen wie der Weihnachtsbaumkerze und dem Einschlafen mit brennender Zigarette die wesentlichen Brandentstehungsrisiken. Eine Holzkonstruktion selbst stellt für sich kein Risiko einer Brandentstehung dar.
Leistungsanforderungen an den Brandschutz
Die weltweit gleichen Leistungsanforderungen an den Brandschutz sind:
- die Verhinderung der Entstehung eines Brands und der Brandausbreitung
- die mögliche Rettung von Menschen und Tieren
- das Zulassen von wirksamen Rettungs- und Löscharbeiten
Diese Leistungsanforderungen sind von allen Bauwerken gleichermaßen zu erfüllen. Dazu ist eine Reihe von Parametern zu berücksichtigen, beispielsweise:
- die Größe der brandschutztechnisch abgetrennten Nutzungseinheiten
- vorhandene Brandlasten
- Flucht- und Rettungswege in Abhängigkeit von der Nutzung
- bauliche Situation des Gebäudes
- Gestaltung der Außenfassaden
- Anlagen des vorbeugenden Brandschutzes (Alarmierung, Sprinkler)
Aus den vorgenannten Anforderungen werden in den meisten Ländern fortlaufend präskriptive (also detailliert vorschreibende) Regeln für den vorbeugenden baulichen und den anlagentechnischen Brandschutz entwickelt, die in den jeweiligen Bauordnungen niedergelegt sind. Als Beispiele seien hier die Anforderungen an den Feuerwiderstand der tragenden und aussteifenden Bauteile in Abhängigkeit von den Gebäudehöhen und Ausdehnungen genannt, weil diese wiederum die Möglichkeiten der Feuerwehr für Lösch- und Rettungsarbeiten wesentlich beeinflussen. Diese bilden beispielsweise die Grundlage für die Anforderungen an den Feuerwiderstand von Gebäuden je nach Gebäudeklasse.
Brennbarkeit und Feuerwiderstand
Es ist unbedingt notwendig, zwischen der Brennbarkeit der Baustoffe (durch die Baustoffklassen definiert) und dem Feuerwiderstand der Bauteile (durch die Feuerwiderstandsklassen der Bauteile definiert) zu unterscheiden. Die Brennbarkeit der Baustoffe beeinflusst im Wesentlichen die Ausbreitung eines Brands unmittelbar nach der Entstehung und während der Brandentwicklung. Der Feuerwiderstand eines Bauteils beschreibt das Vermögen, standsicher zu bleiben (Kriterium R) sowie bei raumabschließenden Bauteilen den Durchgang von Rauchgasen (Kriterium E) und den Durchgang von Wärme (Kriterium I) für die geforderte Feuerwiderstandsdauer zu verhindern. Entsprechend ihrer Feuerwiderstandsdauer werden Bauteile in Feuerwiderstandsklassen eingeteilt, denen die bauaufsichtlichen Begriffe »feuerhemmend«, »hochfeuerhemmend« und »feuerbeständig« zugeordnet sind. Tragende Bauteile wie Wohnungstrennwände (REI) können zugleich raumabschließend sein, während einzelne Stützen nur bezüglich ihrer Standsicherheit zu bemessen sind (R).
Die Brennbarkeit eines Baustoffs und der Feuerwiderstand eines Bauteils haben nicht direkt miteinander zu tun. Einige Beispiele:
- Eine Stahlstütze (Baustoffklasse A – nicht brennbar), die weder durch eine Brandschutzbekleidung noch durch einen Brandschutzanstrich geschützt wird, verliert im Regelfall spätestens nach 30 Minuten ihre Tragfähigkeit.
- Eine Stütze aus Brettschichtholz brennt zwar an ihren Außenseiten ab, kann aber auf mehr als 90 Minuten Standsicherheit im Brandfall ohne zusätzliche Schutzbekleidungen oder anstriche bemessen werden.
- Eine Glasscheibe ist nicht brennbar, lässt aber einen nahezu sofortigen Wärmedurchgang zu. Eine 30 mm dicke Platte aus Holzweichfasern brennt zwar, behindert aber den Wärmedurchgang wesentlich und führt frühestens nach ca. 15 Minuten zu einer Temperaturerhöhung auf der dem Feuer abgewandten Seite.
Eine wesentliche Rolle spielt die Brennbarkeit allerdings in der Brandentstehungsphase und hinsichtlich der Weiterleitung eines Brands. Daraus folgen in den präskriptiven Bauordnungen Anforderungen an die Nichtbrennbarkeit von Oberflächen in Fluchtwegen (z. B. in notwendigen Treppenräumen und notwendigen Fluren) oder die Anforderung, schwer entflammbare Baustoffe für Fassadenbekleidungen zu verwenden, um die vorgenannten generellen Leistungsanforderungen zu erfüllen.
Leistungsvermögen des Holzbaus
Da bei einem Holzbau ein gleichwertiges Sicherheitsniveau gewährleistet sein muss, ist es erforderlich, eine realistische Beurteilung des Brandverhaltens von Holz und Holzkonstruktionen vorzunehmen und unabhängig von der Brennbarkeit die im Brandfall durchaus positiven Eigenschaften des Materials zu nutzen. Die grundlegenden Leistungsanforderungen an alle Konstruktionen im Brandfall sind durch die Holzbauweisen gleichermaßen zu erfüllen.
Da es oft Wunsch von Planern, Bauherren und Nutzern ist, in Holzgebäuden das Holz auch (zumindest in Teilbereichen) sichtbar zu belassen, muss die Brennbarkeit des Werkstoffs in besonderem Maße berücksichtigt werden. Das Brandverhalten von Holzbauteilen wird durch das Verhältnis von Oberfläche zu Querschnitt und durch die Rohdichte der Hölzer sehr stark beeinflusst. Je größer die Rohdichte eines Holzes, umso geringer ist seine Abbrandrate.
Das abbrennende Holz trägt zur Brandlast im Raum bei, zugleich schützt aber die Holzkohleschicht, die sich auf der dem Feuer zugewandten Seite bildet, den inneren Bereich. Da zudem die Wärmeleitzahl des Holzes relativ gering ist (l ≤ 0,13 – 0,17 W/mK) bleibt der innere, unversehrte Bereich kühl und damit tragfähig. Durch eine Erhöhung der Bauteildicken gegenüber den statisch erforderlichen Abmessungen lässt sich somit eine Brandschutzbekleidung aus Holz erzeugen. Die massiven Holzbauteile haben zudem den Vorteil, dass ein Brand nicht in Hohlräume eindringen kann, in denen er sich unkontrolliert und für die Feuerwehr nahezu unerreichbar ausbreiten könnte. Massive Holzbauteile selbst sind gut löschbar, Nachzündungen treten nicht auf. Es ist daher durchaus möglich und wird in vielen Fällen auch realisiert, massive und sichtbare Holzbauteile mit einem Feuerwiderstand von 90 Minuten (REI 90) in Gebäuden bis zur Hochhausgrenze einzusetzen, auch in Treppenraumwänden als Brandwandersatzwand (REI 90-M).
Fazit
Beachtet man einige grundlegende Anforderungen an den Brandschutz, ist das Bauen mit Holz zumindest bis zur Hochhausgrenze in Europa unproblematisch. In vielen europäischen Ländern werden die entsprechenden baurechtlichen Anforderungen laufend angepasst. Ob dem Holzbau in größerer Anzahl auch der Sprung über die Hochhausgrenze gelingt, ist von der Akzeptanz und Verbesserung von Sprinkleranlagen, der Weiterentwicklung von ökonomisch vertretbaren brandschutztechnisch wirksamen Bekleidungen und dem Nachweis abhängig, dass auch Holztragwerke Vollbrände ohne Löscharbeiten der Feuerwehr überstehen können. Einzelne Pilotprojekte weltweit zeigen, dass diese Möglichkeit generell besteht.
Dies ist ein Auszug aus dem Text »Schutzfunktionen« von Stefan Winter. Der Originalartikel ist nachzulesen in: Atlas Mehrgeschossiger Holzbau, Detail Business Information GmbH, München 2017, Seite 72–87.