Schutzziel in Deutschland
In Deutschland existiert aktuell kein eindeutiges Schutzziel für die Brandausbreitung über die Fassade. Es gibt lediglich eine allgemeine bauordnungsrechtliche Forderung, dass die Brandausbreitung an der Fassade ausreichend lange zu begrenzen ist. Exemplarisch wird auf die Musterbauordnung (MBO) verwiesen. In Deutschland können geregelt aktuell nur schwerentflammbare Außenwandbekleidungen in Gebäudeklasse 4 und 5 verwendet werden. Die Verwendung von Holz (normalentflammbar) ist folglich noch nicht geregelt möglich. Bei Außenwandbekleidungen aus Holz sind Einzelfallbetrachtungen im Rahmen eines Abweichungsverfahrens notwendig. Ein eindeutiges Schutzziel ist jedoch für die Bewertung von neuartigen Fassaden und Außenwandbekleidungen notwendig. In Österreich und der Schweiz hingegen existieren eindeutige Schutzziele für die Brandausbreitung über die Fassade:
Schutzziel in Österreich
In Österreich existiert ein in der OIB-Richtlinie 2 (2015 Abschnitt 3.5.6) festgeschriebenes allgemeines Schutzziel für Fassadenbrände:
»Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 sind vorgehängte hinterlüftete, belüftete oder nicht hinterlüftete Fassaden so auszuführen, dass eine Brandweiterleitung über die Fassade auf das zweite über dem Brandherd liegende Geschoss und das Herabfallen großer Fassadenteile wirksam eingeschränkt wird.«
Konkret bedeutet dies, dass der Brand auf maximal zwei Geschosse zu begrenzen ist.
Schutzziel in der Schweiz
Basierend auf Forschungsergebnissen der Lignum-Gruppe (Lignum-Dokumentation Brandschutz 7.1) wurde
für die Schweiz folgendes Schutzziel formuliert:
»Bei einem Brand der Gebäudeaußenwand darf es vor dem Löschangriff der Feuerwehr nicht zu einer Brandausbreitung über mehr als zwei Geschosse oberhalb des Brandgeschosses kommen.«
Hieraus ergibt sich eine Begrenzung des Brandes auf maximal drei Geschosse.
Fazit
Der voranstehende Vergleich zeigt, dass sich das Schutzziel in Österreich im Vergleich zu dem in der Schweiz um ein Geschoss unterscheidet, während für Deutschland keine präzise Vorgabe existiert. Zum aktuellen Zeitpunkt werden in Deutschland Außenwandbekleidungen aus Holz für Gebäude bis zur Hochhausgrenze regelmäßig in Brandschutznachweisen über bauordnungsrechtliche Abweichungen ermöglicht. Der Nachweis, dass diese Fassaden brandschutztechnisch sicher sind, wird dabei über in Österreich oder in der Schweiz zugelassene Systeme geführt. Wie zuvor beschrieben, liegen diesen Lösungen jedoch unterschiedliche Schutzziele zugrunde, die eine Anwendung in Deutschland nicht ohne Weiteres ermöglichen. Bei einer abschließenden Definition eines deutschen Schutzziels müssen die Parameter klar definiert sein. Nur dadurch lassen sich mögliche konstruktive Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin bewerten.
Die Flammenhöhe des Primärbrandes aus einer Fensteröffnung lässt sich über ein allgemeines Schutzziel nicht definieren oder begrenzen. Es sind zwar für unterschiedliche Nutzungen statistische Annahmen für durchschnittliche Brandlastdichten bekannt, diese können jedoch von der realen Situation stark abweichen. Brände in Räumen verlaufen in der Regel zudem ventilationsgesteuert. Das heißt, der Sauerstoff im Raum reicht nicht aus, um die vorhandene Brandlast (z. B. Möbel, Akten etc.) im Raum selbst vollständig zu verbrennen. In der Abluft befinden sich folglich brennbare Bestandteile, die bei Luftzutritt (Austritt aus Fenster) erst verbrennen. Bei stark erhöhter Brandlast werden also mehr brennbare Pyrolysegase nach außen transportiert und es entstehen folglich höhere Flammenlängen an der Fassade. Die Flammen, die aus einem in Vollbrand stehenden Raum schlagen, durch konstruktive Maßnahmen daran zu hindern, ins nächste Geschoss zu gelangen, ist nur durch aufwendige Maßnahmen umsetzbar: bei Hochhäusern beispielsweise durch eine 1 Meter hohe feuerbeständige Brüstung oder eine 1 Meter auskragende feuerbeständige Deckenplatte. Für normale Gebäude scheinen solche Maßnahmen überzogen.
Die Außenwandbekleidung aus Holz selbst kann die Flammenlänge, die aus einer Wohnung schlägt, nicht begrenzen. Ist es daher praxisnah, das Schutzziel durch die zulässige Brandausbreitung über Geschosse zu definieren, oder ist es sinnvoller, die tatsächliche Ausbreitung auf der brennbaren Fassade zu bewerten? Letzteres kann durch konstruktive Maßnahmen, die ein selbstständiges Mitbrennen der Holzfassade außerhalb des Primärbrandbereichs verhindern, erreicht werden. Diese Frage wird aktuell innerhalb von Forschungsprojekten wie dem timpuls, (www.timpuls.tum.de) untersucht.
verfasst von
Thomas Engel, Dr. Michael Merk und Markus Lechner
wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TU München
www.bgu.tum.de