Daten zum Objekt
Standort
Tokio/JP Google Maps
Bauherr:in
Kogakuin University, Tokio/JP, www.kogakuin.ac.jp
Architektur
FT Architects, Tokio/JP, www.ftarchitects.jp
Statik
Shuji Tada Structural Design Office, Tokio/JP, www.info47728.wixsite.com/shujitada
Holzbau
Daimaru House Co.
Spannweite
7,2 x 10,8 m
Fertigstellung
2013
Typologie
Stabwerk
Boxen und Bogenschießen: auf der einen Seite Brachialgewalt, Körpernähe und waffenlose Sturheit. Auf der anderen Bewegungseleganz, Zielferne und mentale Waffenführung. Im Auftrag der Kogakuin University in Tokio interpretierten Katsuya Fukushima und seine Partnerin Hiroko Tominaga die beiden Welten mit zwei Trainingshallen. »Das war nicht leicht«, sagt Fukushima. »Es gibt keine Architektur, an der wir uns hätten orientieren können. Schon gar nicht bei ›Kyudo‹, dem Bogenschießen. Da standen die Schützen ja ursprünglich im Freien. Nur die Zielscheibe, 60 Meter entfernt, war überdacht.«
Wie alle Projekte von FT Architects, so nennen Fukushima und Tominaga ihr Büro in Tokio, entstanden auch die beiden Hallen in einem methodischen Arbeitsprozess. Die Planer besuchen zuerst das Grundstück und fotografieren. Sie bauen drei Modelle, nennen die erste Version »Liebe« – ein Idealgebäude frei von gesetzlichen und budgetären Auflagen. Danach basteln sie die zweite Version, eine Antithese. Sie heißt »Hass« und repräsentiert das absolute Gegenteil des ersten Versuchs. War die Farbe Weiß, ist sie nun Schwarz. War das Baumaterial Holz, verwandelt es sich in Metall. Zuletzt baut das Team ein »realistisches Modell«, eines, das sie dem Kunden präsentieren, eine Synthese, genannt »Ehe«.
Als vor 450 Jahren die Japaner begannen, Gewehre der Portugiesen zu kopieren, waren Bogenschützen bald nicht mehr gefordert – obwohl sie zunächst noch pro geladener und abgefeuerter Kugel im selben Zeitraum bis zu vierzig Pfeile abschießen konnten. Danach kam die antike Waffe nur noch im Wettkampf und im zen-buddhistischen Meditationstraining zum Einsatz. Deshalb entschied sich FT Architects bei der Bogenschießhalle für das Standardraummaß eines japanischen Tempelsanktuariums: 7,2 mal 10,8 Meter. Der leere Raum mit drei weißen Seitenwänden – zur Zielscheibe hin geöffnet –, erlaubt wenig Spielraum für kreative Ambitionen. Austoben können sich Architekten nur in der Deckenkonstruktion. Auch hier spannen Fukushima und Tominaga einen Bogen zu historischen Tempelbauten, ließen sich inspirieren vom verschachtelten Holzraster im Tōdai-ji-Tempel in Nara, der ehemaligen Hauptstadt Japans. Zypressenbretter und -blöcke, wie sie Handwerker für Möbel (und auch Tennisschläger) verwenden, wurden zusammengesteckt und verschraubt, »angeordnet wie Holzmoleküle«, sagt Tominaga. »Das erlaubte uns Modernität in einem sakralen Setting.« Zudem schweben die 500 Bauteile über den Köpfen der Schützen wie ein komplexes, neuronales Netzwerk, das die meditative Konzentration verbildlicht. Die Boxerhalle nebenan ist gleich groß, hat aber nur 250 Holzteile im Gebälk –japanische Hausbau-Standardpfosten mit 12 cm Seitenkanten. Schwer, grob, klobig – wie schlagende Fäuste und nicht wie zierliche Pfeile. Ins derbe, ungehobelte Faustkampfbild passt auch, dass hier die Bauhölzer als »minderwertig« eingestuft sind, das heißt, Fressspuren von Insekten aufweisen. »Und wir konnten Kosten einsparen«, sagt Fukushima. »Das Material ist billiger, weil es nicht den ästhetischen Ansprüchen der Japaner entspricht. Von der Festigkeit her ist es aber genauso gut wie in der Bogenschießhalle« – bei den vielen Erdbeben eine Grundvoraussetzung.
FT Architects testeten beide Gebäude auf eine Verformungsbegrenzung von 1:200. Das legt die japanische Bauvorschrift fest, genauso wie ein Höhenlimit für Holzhäuser von maximal zwei Stockwerken und 13 Metern.